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Bei der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus sitzen die Abgeordneten in der Coronakrise in weitem Abstand zueinander.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Eklat im Abgeordnetenhaus: Grüne zeigt FDP-Fraktionschef den Stinkefinger

Erst wird Anja Kofbinger von Zwischenrufen unterbrochen, dann folgt eine unmissverständliche Geste in Richtung Oppositionsbänke. Ein dem Parlament unwürdiges Schauspiel.

Es kommt selten vor, dass sich an der Vorstellung eines Jahresberichts heftige Debatten entzünden – erst recht nicht gegenseitige Beschimpfungen oder gar Beleidigungen. Am Donnerstag war das anders. Zwar hatten zur Vorstellung der Bilanz des Petitionsausschusses im Abgeordnetenhaus zahlreiche Parlamentarier das coronabedingt ausgedünnte Plenum bereits für eine kurze Mittagspause verlassen, auch die Pressetribüne war verwaist. Was dann geschah, blieb dennoch nicht unbemerkt.

Nachdem die Grünen-Abgeordnete Anja Kofbinger ihre von mehreren Zwischenrufen unterbrochene Rede beendet hatte, verlor sie für einen kurzen Moment die Kontrolle. Den ausgestreckten Mittelfinger richtete sie über die eigene Schulter hinweg in Richtung Oppositionsbänke.

Dort saß unter anderem FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja, der Kofbinger bereits zu Beginn ihrer Rede auf ähnlichem Niveau angesprochen hatte und die Geste prompt auf sich bezog. „Frisch desinfiziert? Das Pult oder Sie?“, hatte Czaja gefragt, nachdem sich Kofbinger für die Reinigung des Pults durch den Saaldienst bedankt hatte. Der Ton war gesetzt, der ausgestreckte Mittelfinger das Finale eines dem Parlament unwürdigen Schauspiels.

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Während Czaja selbst kurz danach auf Twitter von einer „unterirdischen Diskussionskultur“ sprach, dabei seinen eigenen Zwischenruf aber geflissentlich überging, reagierte Kofbinger am Tag darauf wenig einsichtig. „Ich habe zurückgewunken, das wurde missinterpretiert“, erklärte sie am Freitag und wies den Vorwurf des ausgestreckten Mittelfingers mit dem Hinweis, „so etwas würde eine Frau von Welt nie tun“, zurück.

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der Berliner FDP.
Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der Berliner FDP.

© Wolfgang Kumm/dpa

„Unparlamentarisches Verhalten“ warf sie wiederum dem FDP-Fraktionschef vor, für den sie im Hintergrund noch ganz andere Worte parat hatte und der es laut Kofbinger „ganz offensichtlich nicht vertragen kann, wenn eine Frau ans Pult tritt“. Ein „Spaß“ sei die ganze Aktion für sie gewesen, sagte Kofbinger noch und erklärte abschließend: „Das war überhaupt nichts, das ist mir völlig egal.“

Anja Kofbinger (Grüne), Mitglied des Abgeordnetenhaus.
Anja Kofbinger (Grüne), Mitglied des Abgeordnetenhaus.

© Promo

Ralf Wieland (SPD), Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, sah das offenbar anders. Nachdem das Präsidium auf den Vorfall hingewiesen worden war – offenbar hatten nicht alle den Vorfall mitbekommen – erfolgte eine Prüfung der Videoaufzeichnung der Bilder.

Weil die angebliche „Missinterpretation“ darin klar als ausgestreckter Mittelfinger zu erkennen war, erteilte Wieland Kofbinger einen Ordnungsruf, Czaja wurde für seinen Spruch in Richtung Kofbinger gerügt. Das ramponierte Verhältnis zwischen Grünen und Liberalen im Abgeordnetenhaus – im Januar hatte FDP-Mann Holger Krestel von „Klimafaschisten“ und dem „Öko-Dschihad“ gesprochen, sich dafür später allerdings entschuldigt – dürfte sich nach diesem Vorfall wohl kaum verbessern.

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