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Berlin: Elektroschockpistolen: Spannungsgeladene Rettungsaktion

"Wir haben dem Mann das Leben gerettet. Ohne den Air-Taser wäre er aus dem Fenster gesprungen," sagte Martin Textor.

"Wir haben dem Mann das Leben gerettet. Ohne den Air-Taser wäre er aus dem Fenster gesprungen," sagte Martin Textor. Dem Abteilungsleiter im Landeskriminalamt untersteht unter anderem auch das Spezialeinsatzkommando (SEK), das in der Nacht zu gestern mit einer Spezialwaffe einen 37-jährigen überwältigte, der an der Wiener Straße in Kreuzberg aus dem fünften Stock springen wollte. Wie berichtet, testet das SEK seit Jahresbeginn eine Elektroschockpistole, die mit 50 000 Volt den Getroffenen binnen Sekundenbruchteilen niederstreckt. Gesundheitliche Folgen soll es angeblich nicht haben. Der 37-Jährige wurde im Krankenhaus an ein Langzeit-EKG angeschlossen, um sicher zu gehen, dass der Schuss tatsächlich ohne Nachwirkungen bleibt.

Nach familiären Streitigkeiten hatte der Mann ein Messer gegriffen und gedroht, aus dem Dachfenster zu springen, unter dem die Feuerwehr aber kein Sprungkissen aufbauen konnte. Es bestand die Gefahr, dass der Mann vorbeispringt. Die Versuche der Polizei und eines Geistlichen, den 37-Jährigen von seinem Selbsttötungsplan abzubringen, schlugen fehl. Als er gegen 1.15 Uhr auf das Fenster zurannte, um hinauszuspringen, schoss ein SEK-Beamter den Taser ab. Der Mann brach zusammen.

Die Entwicklung aus den USA verschießt zwei mit Widerhaken versehene Pfeile, die sich in der Kleidung des Getroffenen festhaken. Die Pfeile sind über zwei etwa sieben Meter lange Kupferdrähte mit dem Taser verbunden. Im Ziel entlädt sich dann für einige Sekunden eine Spannung von 50 000 Volt, die das zentrale Nervensystem des Getroffenen blockiert. Er verliert die Kontrolle über alle Muskeln und bricht zusammen: "Es waren die längsten fünf Sekunden meines Lebens", sagte ein SEK-Beamter, der das Gerät an sich testen ließ. Unmittelbar, nachdem der Strom abgeschaltet wurde, sei er allerdings wieder fit gewesen.

Das SEK verfügt über acht dieser Geräte zum Stückpreis von über 800 Mark. Sie wurden gestern alle vorläufig eingezogen, denn die Vorgaben der Innenverwaltung lauteten: "Erprobung bis zum ersten realen Einsatz", sagte Textor. Nun wird dieser Einsatz medizinisch, taktisch und technisch ausgewertet. Nach dem derzeitigen Stand hat Textor keine Zweifel, dass die Innenverwaltung einem weiteren Einsatz der Air-Taser zustimmen wird: "Wir haben schon immer nach einer wirkungsvollen Alternative zur Schusswaffe gesucht." Die wäre im Fall des 37-jährigen ohnehin nicht zum Einsatz gekommen. Ein Sprung des Mannes in die Tiefe wäre aber ohne Taser nach Darstellung Textors auch von seinen speziell geschulten SEK-Beamten nicht zu verhindern gewesen.

Weitgehend ungeklärt sind bisher noch die gesundheitlichen Wirkungen eines Taserschusses. Zwar kamen Rechtsmediziner vor Jahren bereits zu dem Ergebnis, dass "eine Gefährdung bei gesunden Personen unwahrscheinlich ist". Anders aber scheint es bei Menschen mit einem Herzschrittmacher oder einem Herzfehler zu sein: "Hier erscheint die Gefahr eines potenziell tödlichen Herzkammerflimmerns ohne weiteres gegeben", schrieben sie in der Polizeifachzeitschrift "Kriminalistik". Ähnliches gelte auch für Menschen unter Drogeneinfluss. Bekannt ist zudem ein Fall, bei dem eine Schwangere von einem Täter mit einem Taser ähnlichen Gerät überfallen wurde. Die Frau verlor kurz später ihr Kind.

OD, weso

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