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Berlin: Eltern als Aushilfslehrer?

Das ist mal wieder typisch. Da klagen alle seit Jahren darüber, dass in Berlin viel zu viel Unterricht ausfällt.

Das ist mal wieder typisch. Da klagen alle seit Jahren darüber, dass in Berlin viel zu viel Unterricht ausfällt. Und kaum löst jemand das Problem effizient und pragmatisch, gibt es Geschrei. Aber beginnen wir von vorn. In Berlin fallen immer mehr Stunden aus. Weil Lehrer krank sind, Stellenbesetzungen vertrödelt werden, keine Vertretung gefunden wird. 3,1 Prozent Ausfall waren es im vergangenen Schuljahr. Zu den betroffenen Schulen gehört jetzt das Gymnasium Steglitz. Dort saßen die Schüler in Latein und Griechisch vor der leeren Tafel. Bis eine qualifizierte Kraft einsprang und Wissen vermittelt. Und nun kommt der Aufschrei. Eine Mutter! Na und? Die Frau ist beurlaubte Studienrätin. Sie weiß, wie man mit Kindern umgeht. Und die Schüler sind begeistert. Das Beispiel muss in Berlin Schule machen. Ehe Mädchen und Jungen in Freistunden bummeln gehen oder sich mit Vertretungslehrern langweilen, sollten lieber Eltern einspringen. Es wird ja nicht jedermann vor eine Klasse gelassen. Vielmehr schauen sich Schulleiter und Schulkonferenz die Mütter und Väter genau an. Um ein guter Pädagoge zu sein, muss man nicht jahrelang studiert haben. Einige Menschen haben es auch so im Gefühl, wie man Wissen vermittelt. Wie heißt es noch gleich im neuen Schulgesetz: Die Schulen sollen sich für die Welt da draußen öffnen und die Eltern integrieren. Na also.

Das kann ja nur ein Scherz sein! Weil irgendjemand in der Schulverwaltung seine Hausaufgaben nicht erledigt, will man jetzt Hinz und Kunz auf die Schüler loslassen? Bleiben Sie standhaft, Herr Bildungssenator! Ich weiß genau, welche Elternteile sich darum reißen werden, für Lehrer in die Bresche zu springen. Es sind dieselben, die in jeder Elternversammlung mit ihren Wortmeldungen eigentlich nur zu verstehen geben, dass sie sich für die besseren Pädagogen halten. Schlimm genug, dass ihre eigenen Kinder darunter leiden müssen! Wie aber will man beispielsweise ausschließen, dass ein frustrierter Weltverbesserer im Fach Politische Wissenschaft seine Lebensängste auf meine bislang noch ganz fröhlichen Kinder überträgt? Nein, ganz im Ernst: Es gab da doch mal so eine Idee, dass Schule eine staatliche Angelegenheit ist, und Lehrer mit öffentlichem Geld bezahlte Wahrer einer hoheitlichen Aufgabe, Beamte gar. Und daran soll sich auch nichts ändern. Es mag zwar auch unter Lehrern Sonderlinge geben, aber die können im Extremfall zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem würde der Allround-Laienpädagoge das ohnehin demolierte Lehrer-Image noch mehr untergraben. Warum soll man noch Pädagogik studieren? Kann doch eh jeder. Nein, der gegenteilige Weg ist richtig: Wir brauchen mehr gut ausgebildete, engagierte, motivierte Lehrer. Unsere Kinder sollten uns das wert sein. Sandra Dassler

Annette Kögel

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