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Berlin: Eltern kommt Eigeninitiative teuer zu stehen

Familien, die wegen fehlender öffentlicher Horte selbst Schülerläden gründeten, müssen bis Jahresende alle Kosten tragen

Die Zuckertüten sind gepackt: Fünf Tage nach dem Ende der großen Ferien beginnt morgen auch für Berlins Erstklässler die Schule. Die ganz große Freude stellt sich allerdings nicht bei allen Eltern ein, denn etliche sind noch zermürbt vom monatelangen Bangen um die Hortbetreuung ihrer Kinder. Und noch immer ist das Problem nicht vollständig gelöst.

„Bei uns fehlen noch rund 200 Plätze“, heißt es etwa aus Zehlendorf-Steglitz. Trotz vieler Bemühungen habe man nicht allen Familien helfen können, da sowohl Erzieher als auch Räume fehlten, berichtet Jugendstadträtin Anke Otto (Grüne). Als „irreführend“ bezeichnet sie deshalb die öffentliche Zusage von Jugend-Staatssekretär Thomas Härtel (SPD), dass alle Kinder mit Betreuungsbedarf untergebracht werden könnten.

Offenbar ist es – anders als von Härtel erhofft – nicht gelungen, sämtliche überschüssigen Erzieher aus den östlichen Bezirken zu ermitteln und umzusetzen. Allerdings hat sich die Lage etwas entspannt, weil hunderte Eltern in Eigeninitiative Schülerläden aufbauten oder an ihren Schulen einen Hortbetrieb ankurbelten.

Hier aber gibt es ein anderes Problem: Obwohl der Senat auf diese Eigeninitiative setzt, unterstützt er die Einrichtungen nicht ab sofort, sondern erst ab 1. Januar. Dies bedeutet, dass fast 1000 Eltern fünf Monate lang Erzieher und Räume vollständig aus eigener Tasche finanzieren müssen.

„Alle Eltern müssen monatlich pro Platz 215 Euro bezahlen“, sagt Irmgard Reihlen, die aus der Not heraus zur Mitbegründerin eines Lichterfelder Schülerladens wurde. Es ärgert sie, dass die Familien trotz eines amtlich bestätigten Betreuungsbedarfs schlechter gestellt werden als die Eltern, die zufällig einen der raren öffentlichen Hortplätze ergattern konnten: Hier zahlt man monatlich nur 43 bis maximal 138 Euro. Zudem müssen die Elterninitiativen auch noch die Anschubfinanzierung für den Umbau der Räumlichkeiten aufbringen. Im Fall des Lichterfelder Schülerladens waren dies 3500 Euro - noch nicht eingerechnet Anschaffung und Einbau von zwei zusätzlichen Waschbecken in der Küche.

Was viele Eltern nicht wissen: Die amtlichen Bau- und Hygienevorschriften gehen weit über das hinaus, was der gesunde Menschenverstand erwarten lässt. So muss jede Kitaküche vier Waschbecken haben: Je eins zum Putzen von Lebens- und Arbeitsmitteln, eins zum Händewaschen und einen Ausguss. Selbst der Abstand der Kleiderhaken ist geregelt und erfordert mitunter kostenintensive Umbauten.

Nicht alle Familien sind imstande, bis Jahresende sämtliche Kosten ihrer Schülerläden zu tragen. So behelfen sich die Eltern der Evangelischen Schule Pankow damit, an einigen Tagen gegenseitig auf die Kinder aufzupassen, um so einen Teil des Erziehergehalts zu sparen. Das allerdings ist für die berufstätigen Eltern kaum organisierbar, weshalb sie etliche Politiker mit Bittbriefen bombadierten. Geholfen hat das bisher nicht, weshalb eine der betroffenen Mütter gestern nochmals einen Brief an Jugendsenator Klaus Böger auf den Weg geschickt hat. Sie will von ihm wissen, warum der Senat ausgerechnet jene Eltern im Regen stehen lässt, die das Defizit an Betreuungsplätzen auf eigene Initiative hin gemildert haben.

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