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Berlin: Eltern müssen Schulbücher selber kaufen

Der Senat schafft die Lernmittelfreiheit ab, verzichtet aber vorerst auf Erhöhung der Kita-Gebühren

Kita-Eltern können aufatmen, Eltern von Schulkindern dagegen nicht: Der Senat hat sich gestern darauf verständigt, dass die Kitagebühren erstmal nicht steigen sollen. Aber an den Geldbeutel der Familien geht es dennoch, denn die so genannte Lernmittelfreiheit wird abgeschafft. Alle Schulbücher müssen dann von den Familien selbst finanziert werden, was im Schnitt Ausgaben von rund 50 Euro pro Schüler bedeutet. Falls das Abgeordnetenhaus dem schnell zustimmt, würde die Neuregelung schon für das kommende Schuljahr gelten und den Landesetat um rund 15 Millionen Euro entlasten.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) geht davon aus, dass rund ein Drittel der Familien Anspruch auf staatliche Unterstützung beim Schulbuchkauf in Anspruch nehmen können. Jetzt hat sein Parteifreund Klaus Böger die Aufgabe, ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln, bei dem „keine zusätzliche Bürokratie entsteht“, so sein Ziel. Möglicherweise werden Sozialhilfe- oder Wohngeldempfänger Gutscheine erhalten, mit denen sie kostenlos Schulbücher erhalten können. Allerdings ist noch die Frage zu klären, ob sie diese Bücher dann auch weiterverkaufen können.

Schon vor Weihnachten hatte sich abgezeichnet, dass SPD und PDS bei der Abschaffung der Lernmittelfreiheit auf einer Linie lagen (wir berichteten).

Keine Einigung gab es hingegen beim Thema Kitagebühr: SPD-Fraktion und Senator Böger wollten die Kita-Beiträge ab April um sechs Prozent anheben, was gesetzlich auch so vorgesehen ist. Die PDS dagegen wollte keine Erhöhung zulassen, wenn nicht zugleich die Qualität steigt. Deshalb war bereits absehbar, dass Böger mit seinem Vorhaben gestern im Senat scheitern würde. Ein klarer Sieg für die PDS also, deren jugendpolitische Sprecherin Margrit Barth denn auch erleichtert verkündetete, sie sei „sehr froh“.

Jetzt wird eine SPD-/PDS-Arbeitsgruppe über Strukturverbesserungen in den Kitas und eine neue Staffelung der Elternbeiträge beraten. Möglicherweise sollen die unteren Einkommensgruppen entlastet und die oberen etwas mehr belastet werden. Zu sehr sollen die Beiträge aber auch für Besserverdienende nicht steigen, weil die Koalition eine soziale Entmischung der Kitas vermeiden will: Die Jugendpolitiker befürchten, dass wohlhabende Eltern in rein private Einrichtungen ausweichen, wenn die staatlich subventionierten Einrichtungen zu teuer werden und gleichzeitig die materielle und personelle Ausstattung immer schlechter wird. Die PDS geht nicht davon aus, dass es die neue Gebührenordnung noch in 2003 geben wird.

Während den Familien also zunächst einmal je nach Einkommen zwischen 30 und 170 Euro pro Jahr an zusätzlichen Kitakosten erspart bleiben, müssen sie für die Schulbücher erstmals voll aufkommen – nach über 50 Jahren Lernmittelfreiheit. Bislang mussten sie nur Arbeitshefte, mitunter auch Atlanten oder Wörterbücher anschaffen. Künftig werden sie für Grundschüler im Schnitt 30 Euro, für Oberschüler je nach Schulform 40 bis 70 Euro hinblättern müssen, an Europaschulen sogar bis zu 110 Euro.

Dennoch sehen viele Eltern diese Mehrausgaben positiv, weil ihre Kinder auf diese Weise immer aktuelle Schulbücher haben. Die FDP erwartet zudem, dass ein regelrechter Markt für Schulbücher entsteht, sodass ein Teil der Ausgaben wieder „reinkommt“, wenn man die Schulbücher weiterverkauft. Die GEW hingegen geißelt die Abschaffung der Lernmittelfreiheit als erneutes „Stück Sozialabbau“.

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