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Einschulung Grundschule

© dpa

Elternprotest: Die Probleme der anderen

Kreuzberger Eltern fliehen in andere Bezirke, weil in den öffentlichen Schulen die soziale Zusammensetzung unausgewogen ist. Die BVV-Fraktionsvorsitzenden aller Parteien kritisieren das - aber von ihnen hat ebenfalls keiner ein Kind im Kiez auf der Schule.

Die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg haben großes Verständnis für die Nöte bildungsbewusster Kreuzberger Eltern. Noch etwas eint die Politiker in diesem Bezirk, egal ob sie bei der SPD, den Linken, den Grünen oder der CDU sind: Keiner hat ein Kind auf einer Kreuzberger Schule.

„Parallelgesellschaften sind nichts Schönes“, sagt zum Beispiel Götz Müller, der CDU-Fraktionsvorsitzende. Aber wenn nun mal die Migranten in Kreuzberg in der Mehrheit sind, dann müsse man damit leben. Im Prinzip spreche ja auch nichts dagegen, dass man sein Kind auf eine Kreuzberger Schule schicke. Müllers Sohn hat allerdings gerade auf einem Gymnasium in Friedrichshain sein Abitur gemacht, auf der deutsch-spanischen Europaschule. Auch den jetzt zweijährigen Sohn wolle man auf eine deutsch-spanische Schule bringen, in Kreuzberg gibt es ein solches Angebot nicht.

In den vergangenen Tagen haben viele Kreuzberger Eltern ihrem Unmut darüber Ausdruck gegeben, dass sie ihre Kinder wegen der Einzugsbeschränkungen auf Schulen schicken müssen, in denen die soziale Mischung nicht stimmt, weil die Mehrheit der Kinder aus sozial schwachen Migrantenfamilien stammt. Seit Jahren gibt es die Tendenz, dass Eltern, die an einer guten Bildung ihrer Töchter und Söhne interessiert sind, aus Kreuzberg wegziehen, sobald die Kinder eingeschult werden. Andere versuchen, mit Hilfe von Deckadressen ihre Kinder in anderen Bezirken einzuschulen. Wiederum andere wollen zusammen mit der evangelischen Kirche eine Privatschule in Kreuzberg gründen, was aber bislang von der grünen Bildungsstadträtin Monika Herrmann nicht unterstützt wurde. Statistisch gesehen gebe es genügend Schulen in Kreuzberg, begründete Herrmann bislang ihre Haltung. Nun aber wurde offenbar doch der Bedarf einer weiteren Grundschule festgestellt. Am Dienstag will das Bezirksamt entscheiden, ob es ein Interessenbekundungsverfahren geben soll, an dem sich Träger verschiedener Privatschulen bewerben können.

Dass es nun womöglich doch ein Interessenbekundungsverfahren geben soll, ist dem Protest der Eltern geschuldet, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Andy Hehmke. Dennoch ist er skeptisch, ob das der richtige Weg ist. „Wir wollen der Segregation nicht Vorschub leisten“, sagt Hehmke. Vielmehr müssten die öffentlichen Schulen attraktiver werden. Das ist auch die Meinung der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Christine Hauser-Jabs. „Es kann nicht sein, dass wir nur dem Fluchtreflex folgen“, sagt sie mit Blick auf die Eltern, die lieber aus Kreuzberg wegziehen, statt ihre Kinder hier auf eine öffentliche Schule zu schicken. Statt zu fliehen, sollten sie ihre Kinder im Kiez einschulen und sich dort so engagieren, dass die Qualität steigt. So habe sie das vor 25 Jahren in der Schule ihrer Tochter am Hermannplatz gemacht. „Eine gewisse Hilflosigkeit“ teile sie aber auch, sagt Hauser-Jabs.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Regine Sommer-Wetter, teilt keine Hilflosigkeit, weil sie keine Probleme sieht. Es sei nicht so, dass bildungsbewusste Eltern aus Kreuzberg wegzögen. Die Schülerzahlen seien schließlich konstant geblieben. Dass das damit zusammenhängen könnte, dass die sozial schwachen Migrantenfamilien, die da bleiben, mehr Kinder haben als die bildungsbewussten, die wegziehen, erwähnt sie nicht. (clk)

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