zum Hauptinhalt

Berlin: Ende der Genügsamkeit

Beim Staatsbesuch finden sich Frauen aus verschiedenen Welten

Szenen eines Staatsbesuchs: Geräucherte Barbarie-Entenbrust im Kaisersaal, traurige und hoffnungsvolle Erzählungen von geschlagenen Frauen in den engen Räumen des Treff- und Informationsortes für türkische Frauen e.V. (TIO) im tiefsten Kreuzberg. Frauenbilder und Frauenbiographien spielten beim Damenprogramm zum Staatsbesuch des österreichischen Bundespräsidenten und seiner Frau Margot Klestil-Löffler eine große Rolle. Schichtenübergreifende Ähnlichkeiten wurden durchaus erkennbar.

Eine türkische Mutter von drei Kindern, erst 31 Jahre alt, erzählte voller Stolz, dass sie es geschafft hat, bei ihrem Mann eine „freundliche Scheidung“ durchzusetzen. Das ist nicht die Regel bei den jungen Frauen, die hier Hilfe finden, eine eigene Ausbildung zu machen und unabhängig zu werden. Sie kommen zum Teil auch aus Afrika und Osteuropa. Die österreichische First Lady hatte sich den Besuch in diesem Projekt gewünscht und vertiefte sich gleich in ein intensives Gespräch mit den Projektmitarbeiterinnen über Ausbildungschancen und -erfolge. Bezeichnend die Antwort der TIO-Frauen auf Christina Raus Frage, was sich in den letzten zehn Jahren signifikant verändert habe. „Die Frauen sind nicht mehr so genügsam. Sie wollen mehr aus sich und ihrem Leben machen.“

Auf einer anderen Ebene ging es beim eleganten Lunch im Kaisersaal um das gleiche Motiv: Diplomatenfrauen, die nicht mehr ohne weiteres ihren Männern folgen, um an deren Seite für ihr Land unbezahlte Arbeit zu leisten. Margot Klestil-Löffler repräsentiert bereits eine neue Generation von First Lady. Sie arbeitet als Abteilungsleiterin im österreichischen Außenamt. Wenn sie ihren Mann bei Terminen im Inland begleitet, muss sie sich dafür eigens Urlaub nehmen. Die Frau, die man sich dem geradezu royalen Erscheinungsbild nach auch in einem Sissi-Remake vorstellen könnte, weiß, wie wichtig betont korrektes Verhalten ist. Schließlich war sie Gegenstand einer beispiellosen Seifenoper in den österreichischen Medien, als sich ihr Mann , um sie zu heiraten, vor sechs Jahren scheiden ließ. Den Sieg über manche Anfeindung musste sie sich hart erkämpfen. Wohl auch deshalb beweist sie souverän, dass sie Repräsentationspflichten nicht nur mit charmanten Äußerlichkeiten schmücken, sondern auch mit Inhalten füllen kann.

Die in Berlin ansässige österreichische Malerin Xenia Hausner hatte ein Buch mit Frauenfotos mitgebracht. So kam man auf Familienportraits zu sprechen und was sie über den Zusammenhalt und über die einzelnen Mitglieder aussagen. Christina Raus Mutter, Christa Delius, steuerte dazu Familienanekdoten bei. Ein gemeinsames Foto der deutschen und österreichischen Damen mit den aufstrebenden jungen Migrantinnen, die ihre schwere Vergangenheit hinter sich lassen wollen, bildete den letzten Programmpunkt des Besuchs. Wer der Star des Bildes war, darüber bestand Einigkeit zwischen all diesen Frauen aus unterschiedlichen Welten: Ein kleines Mädchen mit noch sehr zartseidigen Locken. Weil jede auf ihre Weise für dieses Kind und seine Altersgefährtinnen einen Weg bereitet.

Zur Startseite