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Showdown vor Gericht: Eine Stunde wird über das historische Hotel Bogota verhandelt. Am Ende steht ein Vergleich zwischen Vermieter Bscher und Hotelier Rissmann – und das Aus für ein Haus mit langer Tradition.

© Thilo Rückeis

Ende wegen Mietschulden: Das Hotel Bogota checkt aus

Showdown vor Gericht: Eine Stunde wird über das historische Hotel Bogota verhandelt. Am Ende steht ein Vergleich zwischen Vermieter Bscher und Hotelier Rissmann – und das Aus für ein Haus mit langer Tradition.

Als die Richterin den Vergleich verliest, ist es ganz ruhig in Saal 142 am Berliner Landgericht. Joachim Rissmann, Inhaber des Hotel Bogota, sitzt gebeugt, Blick auf den furnierten Boden, sein Vater, Steffen Rissmann, lehnt sich gegen das Holz der Zuschauerbank, und Thomas Bscher, Kläger, Hauseigentümer, braunes Sakko, die langen, weißen Haare hinter die Ohren gekämmt, verschränkt die Arme. Sie lauschen den Fixpunkten einer gütlichen Einigung, die das Ende für das Hotel Bogota bedeutet. Bis zum 15. Dezember 2013 ist der historische Standort geräumt zu übergeben, Bscher reduziert seine Klageforderungen auf 100 000 Euro, die Kosten des Rechtsstreits, den beide Parteien schon seit mehren Monaten ausfechten, werden gegeneinander aufgerechnet. Um 12:31 Uhr endet die Verhandlung, Aktenzeichen 12O 182/13.

Begonnen hatte sie knapp eine Stunde vorher, halb zwölf. Bscher und Rissmann geben sich ernst auf dem Flur die Hand, im Saal beziffert der Anwalt des Vermieters die Mietausstände bis auf den Cent genau: 288 716,03 Euro. Rissmann wäre, sollte ihn Bscher auf die komplette Zahlung verpflichten, privatinsolvent. „Nun, vielleicht können wir das ja vermeiden“, sagt Richterin Elisabeth Mülders. „Darf ich Ihnen ein Mediationsverfahren vorschlagen?“ Darf sie nicht. Bscher hebt die Hand, er will nichts mehr vertagen, will eine Lösung, jetzt. Und ergreift das Wort: „Schulden erlassen? Hätte ich ja gemacht. Aber Herr Rissmann hat sich bei mir einfach nicht gemeldet, stattdessen eine riesige Medienkampagne gegen mich gefahren.“ Rissmann schüttelt den Kopf, widerspricht: „Ich habe keine Kampagne gefahren und schon 2012 von den finanziellen Problemen berichtet. Aber Sie haben damals alles abgeblockt.“

Rückblick, Rekapitulation. Im Januar 2013 hatte Hotelier Rissmann die Mietzahlungen eingestellt, ausgezehrt vom Winter, das Bogota schwächelt, selbst an guten Tagen greifen ihm die günstigeren Hotels am Kurfürstendamm und um den Bahnhof Zoo die Gäste ab. Besitzer Bscher hat genug, er glaubt nicht mehr an eine Genesung des Betriebs und kündigt seinem prominenten Mieter zum 30. März 2013. In den Folgemonaten eskaliert der Streit, obwohl Rissmann und Bscher bisweilen sogar an einem Tisch sitzen. Bei einer Podiumsdiskussion betont Bscher, das Bogota könne natürlich bleiben – es müsse halt nur die Miete zahlen. Er selbst wolle das Haus grundsanieren, im Parterre Läden ansiedeln und darüber Büros. Auch Rissmann wohnt dieser Debatte bei, danach verfassen die Initiatoren den Aufruf, dem Hotel mehr Zeit für die Zahlungstilgung zu geben. Prominente wie Hanna Schygulla und Ulrich Matthes unterstützen den Appell. Aber Rissmann bleibt die Miete schuldig, hat nur 59 Prozent Auslastung. 65 Prozent bräuchte er, um die Verbindlichkeiten auszugleichen. Im April 2013 erwirkt Bscher eine Räumungsklage.

Raunen auf der Zuschauerbank im Gerichtssaal. Hier sitzt in Überzahl vor allem Rissmanns Entourage, sein Vater mit Frau und Schwester, einige Sympathisanten, eine Zeichnerin, die im Hotel eingemietet ist. Sie hoffen auf einen Kompromiss, der das Bogota erhält, auf zwei Etagen vielleicht nur oder im Dachgeschoss. Als Richterin Mülders diese Idee einbringt, sagt Bscher: „Das Konkurrenzumfeld am Kurfürstendamm ist so, dass es einfach nicht mehr geht mit dem Hotel. Man kann nicht halb Pension und halb Büro machen. Der ganze Bau ist sanierungsbedürftig.“ Die Richterin wendet ein, Büros würden ja auch nicht mehr so funktionieren, die Mieten seien gefallen. „Ich habe nichts gegen Herrn Rissmann, aber als Vertragspartner möchte ich ihn in Zukunft nicht mehr haben“, stellt der Vermieter klar. Spätestens da ist gewiss: Es geht nur noch um den Vergleich, um eine Summe X und die Räumungsfrist. Das Hotel Bogota wird seinen 50. Geburtstag nicht erleben. Zehn Minuten verhandeln Rissmann und Bscher, im Beisein ihrer Anwälte, die Zuschauer warten vor der Saaltür, diskutierend. Rissmann Senior, er hatte das Bogota 1976 übernommen, sagt: „In dem Hotel sind meine Kinder aufgewachsen. Es ist alles sehr traurig.“

Zur Vergleichsverkündung tritt die Öffentlichkeit wieder ein und erfährt, dass das Hotel Bogota noch bis Ende November in Betrieb bleibt, keine Miete für diese Restzeit anfällt, im Dezember soll das Interieur für zusätzliche Einkünfte auktioniert werden. Und das war es dann. Bscher verzichtet auf viel Geld, er sieht nicht unzufrieden aus, schüttelt jedem die Hand. Rissmann sagt: „Das Entgegenkommen ist sehr großzügig. Herr Bscher lässt uns die Chance, das Bogota in Würde zu Ende zu führen. Wir müssen jetzt die Auktion gut planen. Eine Beerdigung muss ja nicht nur traurig sein.“

Moritz Herrmann

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