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Offen für alle. Hier darf jeder reinkommen und mitfeiern, darum findet sich im Freizeitclub immer eine bunte Gesellschaft zusammen.

© Privat

Endlich wieder feiern im Freizeitclub Neukölln: „Wir freuen uns auch über Nachbarn, die einfach so vorbeikommen“

Die sozialen Kontakte haben allen gefehlt: Jetzt treffen sich im Freizeitclub in Neukölln wieder Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen.

Von Simone Jacobius

Offenheit, Freude, Wärme – kurzum: Menschlichkeit. Das ist es, was einem im VfJ-Freizeitclub in erster Linie entgegen schwappt. Der Freizeitclub an der Grenzallee in Neukölln wird vor allem von Menschen mit geistiger Behinderung besucht und ist eine Einrichtung der Vereinigung für Jugendhilfe Berlin e.V. (VfJ), einem erfahrenen Akteur in der Berliner Behindertenhilfe. Er stemmt eine Angebotsvielfalt, die von einem Integrationskindergarten über Werkstätten, ambulant betreutes Wohnen bis hin zu Sport- und Freizeitprojekten reicht.

1951 hat sich die VfJ als Jugendselbsthilfeeinrichtung gegründet. Adressaten waren damals vor allem die vielen arbeitslosen Jugendlichen. Als sich die Arbeitslosenzahlen besserten, wurde deutlich, dass trotz nahezu Vollbeschäftigung eine Gruppe auf der Strecke blieb: Jugendliche mit einer Behinderung. Anfang der 1960er Jahre entstanden aus dieser Situation heraus die Behindertenwerkstätten der VfJ. Mittlerweile sind unter der Trägerschaft des Vereins zwei GmbH gegründet worden – die VfJ Werkstätten GmbH und die LfB Lebensräume für Behinderte GmbH.

Ziel der VfJ ist es, auch Menschen mit einer Behinderung ein eigenständiges und weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Neben der Arbeit in den Werkstätten gehört daher auch das selbstständige Wohnen in einem Ein-Zimmer-Apartment dazu. Teilweise mit sozialpädagogischer Betreuung, immer aber mit einem Ansprechpartner rund um die Uhr. „Dafür leben in unseren Appartements auch Studierende, die ehrenamtlich im Bereitschaftsdienst stehen, falls sich zum Beispiel jemand aussperrt, den Fernseher nicht an bekommt oder krank wird“, sagt Ralf Feuerbaum, Geschäftsführender Vorsitzender der VfJ.

Doch neben Wohnen und Arbeiten gibt es noch den großen Bereich der Freizeit. Bereits 1963 erkannte man bei der VfJ, dass es in der Großstadt Berlin jede Menge Freizeitangebote gibt, aber so gut wie nichts für Menschen mit Behinderung. Der Rückschluss war schnell gezogen: Ein eigener Freizeitclub musste her. Mit ihrer Einstellung war die VfJ Vorreiter in Sachen Teilhabe.

Erst 30 Jahre später wurde das Verbot der Benachteiligung aufgrund einer Behinderung ins Grundgesetz aufgenommen. Damals gab es den Verein schon 40 Jahre, den Freizeitclub 30 Jahre lang.

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In dem rein ehrenamtlich betriebenen Freizeitclub werden Menschen mit Behinderungen vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung nach Feierabend oder am Wochenende angeboten. Dadurch werden Kontakte geknüpft und Hemmungen abgebaut. „Der Freizeitclub ist offen für alle. Wir freuen uns auch über Nachbarn, die einfach so vorbeikommen“, erläutert der Sozialpädagoge Stefan Rohmund, der die ehrenamtliche Arbeit beim Verein mit koordiniert.

Am 18. August war es endlich so weit: Nach der Sommerpause nahm der Club seine Arbeit wieder auf. Das wurde mit einem Grillfest auf dem Hof gefeiert. Aber auch sonst wird auf dem Grundstück an der Grenzallee viel auf die Beine gestellt.

Im Keller des Wohnhauses sind die Freizeiträume untergebracht, neben einem Tagungsraum auch eine Küche und eine Bar mit Dart und Kicker. Hier können die Bewohner basteln, kochen, Vorträgen lauschen, Musik machen oder feiern. In der kalten Jahreszeit und zu Weihnachten ist vor allem das Kaminzimmer beliebt.

An den Wochenenden gibt es manchmal Auflüge

Der Dienstagsclub findet immer abends (18.30-20.30 Uhr) statt, der Mittwochsclub immer nachmittags von 15.30 bis 17.30 Uhr. Manchmal werden an den Wochenenden Ausflüge angeboten, beispielsweise im September zur Archenhold-Sternwarte. An anderen Tagen ging es beispielsweise zum Minigolf oder in den Britzer Garten.

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Im eigenen Garten an der Grenzallee gibt es eine Boulebahn, aber unter Anleitung werden im Grünen auch andere Spiele gespielt.

Zu den Freiwilligentagen „Gemeinsame Sache“ wollen die Betreiber ihren Bar-Abend wieder aufleben lassen. Normalerweise findet er seit 2013 einmal im Monat statt, dann kam Corona – und mit ihm anderthalb Jahre Stillstand. Am 10. September soll der Bar-Abend wieder starten. Neben alkoholfreien Cocktails wird auch der Grill angeschmissen und ein DJ wird auflegen. Beste Zutaten für ein schönes Fest.

Eine Arbeitsgruppe aus vier Bewohnern und zwei ehrenamtlichen Bardamen bereitet schon alles vor und übt die Zusammensetzung der Getränke. „Wir wollen den Barabend diesmal etwas größer aufziehen und hoffen auf gutes Wetter, um auch draußen feiern zu können“, sagt Rohmund.

Ohne ehrenamtliche Helfer würden solche Sachen wie der Barabend oder generell der Freizeitclub nicht funktionieren, erzählt Stefan Rohmund. Auch die Wohnsituation müsste anders organisiert werden, wenn es die Freiwilligen nicht gäbe.

[Vereinigung für Jugendhilfe Berlin e.V., Grenzallee 53. Mehr Informationen unter vfj-berlin.de/freizeit/freizeitclub]

„Wir haben Ehrenamtliche dabei, die das schon seit den 1980er-Jahren machen. Das ist schon außergewöhnlich, wenn sich Menschen so lange und intensiv einer Sache widmen. Normalerweise ist es einfacher, jemanden für zeitlich begrenzte Projekte oder Aktionen zu finden“, sagt Rohmund.

Einige der Ehrenamtlichen kamen über ein Praktikum an die Aufgabe heran, anderen wurden schon als Kind von ihren Eltern mit zum VfJ genommen. Die Herzlichkeit und Offenheit der Bewohner, die Freude, die das ganze Gesicht strahlen lässt, sind Lohn genug für die Mitstreiter – und machen das eigene Leben gleich noch ein bisschen heller.

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