zum Hauptinhalt

Berlin: Endzeit an der Eastside

Bei jeder Clubschließung ist es so, als ob man einen Weisheitszahn zieht. Zuerst tut’s noch weh, aber irgendwann ist alles vergessen.

Bei jeder Clubschließung ist es so, als ob man einen Weisheitszahn zieht. Zuerst tut’s noch weh, aber irgendwann ist alles vergessen. Beim Ostgut scheint es hingegen so, als würde ein Schneidezahn ausgeschlagen. Ab Anfang Januar bleibt eine unübersehbare Lücke. Die ehemalige EisenbahnReparaturhalle weicht einer Mehrzweckhalle in amerikanischen Dimensionen. Wie berichtet, will der US–Investor Anschutz hier eine Arena für 16 000 Zuschauer bauen. Drumherum entsteht ein neues Viertel. Big Entertainment statt Subkultur: In wenigen Jahren sollen internationale Popstars und die Kufencracks der Eisbären auftreten. Viele Innovationen in der elektronischen Musik fanden im Ostgut ihre Bühne, ihr Echo strahlte über Berlin hinaus. Erst vor wenigen Monaten war der Musikgigant Universal in die Nachbarschaft gezogen – natürlich nicht wegen des schönen Ausblicks auf die Spree, sondern weil hier auch noch die Techno-Pioniere der Nachwendezeit tanzten.

Die Partyorte an der so genannten East Side, die Mühlenstraße zwischen Warschauer Straße und Ostbahnhof, sterben aus, einer nach dem anderen. Selbst in Metropolen wie New York, Paris oder Sydney sind mittlerweile Berliner Clubs wie das Ostgut ein Begriff, nicht wenige Touristen kommen ihretwegen zu einem Kurztrip in die Stadt.

Seinen endgültigen Abschied feiert das Ostgut am 4. Januar, wenn noch einmal die Stammbesetzung an den Plattenteller stehen wird. Motto: „…schön war’s!“ Danach wird das berühmte Gästebuch der Club-Homepage im Internet noch einmal überquellen von „Schön war die Zeit“-Bekundungen. Die Ostgut-Betreiber sehen den Abschied freilich realistischer: „Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit“, steht am Ende des Monatsprogramms.

Punkt. krau

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false