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Berlin: Entführte Kinder: Vater muss mit hoher Strafe rechnen Hannah und Ibrahim bleiben verschwunden.

Amtsgericht gibt den Fall an nächste Instanz ab

Mahmoud A. stockt. Als der Ägypter über seine Tochter Hannah spricht, senkt er den Kopf, schlägt seine Hand vor die Augen, bittet leise um ein Glas Wasser – und beeindruckt mit der dramatischen Geste niemanden im Saal. Das Publikum, die Anklage und auch das Gericht sind überzeugt, dass Mahmoud A. (40) lügt. Dass der Angeklagte seine beiden Kinder Hannah und Ibrahim vor vier Jahren in sein Heimatland verschleppt hat. Das Amtsgericht hält sich deshalb jetzt für nicht mehr zuständig: Weil es davon ausgeht, dass Mahmoud A. mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren rechnen muss, hat der Richter gestern den Fall an die höhere Instanz abgegeben. Jetzt muss der Prozess vor dem Landgericht neu aufgerollt werden.

Egal, ob ihr Ex-Mann zwei Jahre Gefängnis bekommt, vier, acht oder zehn: Wirklich freuen kann sich Helen S. (39) über die Entscheidung des Amtsgerichts nicht. „Ich will nur meine Kinder zurück.“ Helen S. wirkt mager in ihrem Hosenanzug, hat dunkle Ringe unter den Augen. Sie weiß nicht, wie Hannah und Ibrahim heute aussehen oder ob ihre Kinder gesund sind. Hannah war fünf, als sie ihrer Mutter im Dezember 2000 auf dem U-Bahnhof das letzte Mal zuwinkte, Ibrahim zwei. Der Junge saß auf dem Arm des Vaters.

Als der Prozess vor drei Wochen begann, hoffte Helen S., dass ihr Ex-Mann zur Vernunft kommen könnte. Dass ihn Untersuchungshaft oder Prozess zermürben. Doch der Angeklagte blieb dabei: Nicht er, sondern eher seine Ex-Frau habe die Kinder verschleppt. Er sei zum Jahreswechsel alleine nach Ägypten geflogen, sagt Mahmoud A. – und: „Ich kann mir auch nicht erklären, wo die Kinder sind.“

Auf Helen S. wirken solche Sätze wie Schläge. Einmal muss der Richter die Verhandlung unterbrechen, weil die Mutter weinend aus dem Saal stürzt. Helen S. weiß es genau: Die Chancen, ihre Kinder auf legalem Weg wieder zu sehen, tendieren gen Null. Es geht ihr da wie vielen der jährlich rund 200 Mütter und Väter, deren Kinder ins Ausland verschleppt werden. Die deutsche Polizei, das Auswärtige Amt, die Botschaft, ein Anwalt in Kairo, ein Privatdetektiv – niemand konnte Helen S. helfen. Trotzdem sagt sie: „Eine illegale Aktion“ – also etwa die Rückentführung – „kommt nicht in Frage.“

Mit den Kindern verschwand damals auch Mahmoud A. Erst als er Anfang des Jahres versuchte, in Bonn Sozialhilfe zu beantragen, griff die Polizei zu. Helen S. glaubt, dass Hannah und Ibrahim in einem Dorf bei der Familie oder in Kuweit bei einem Bruder des Vaters untergebracht wurden. Helen S. hat früher einmal mit ihrem Mann Ägypten besucht. „Das ist nicht das Leben, dass ich mir für meine Kinder vorgestellt habe.“

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