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Im Visier der AfD. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

© Paul Zinken/dpa

Entscheidung am 4. Juli: Vor Gericht: AfD klagt gegen den Justizsenator

Der Berliner Verfassungsgerichtshof muss entscheiden: Hat Dirk Behrendt das Recht auf Chancengleichheit der AfD verletzt?

Von Ronja Ringelstein

Die Trennlinie zwischen dem, was ein Regierungsmitglied politisch sagen darf und was nicht, ist eine feine. Die AfD strengt immer wieder Gerichte an, diese Linie genauer zu benennen. Jüngst ging sie wegen eines Tweets gegen den Regierenden Bürgermeister vor, am gestrigen Mittwoch verhandelte nun der Berliner Verfassungsgerichtshof das sogenannte Organstreitverfahren der Berliner AfD gegen Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Behrendt soll gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen und das Recht der AfD auf Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien aus Artikel 21 Grundgesetz verletzt haben (Az.: VerfGH 79/17).

„Die Beamten, Richter, Staatsanwälte des Landes Berlin sollen von ihrem Dienstherrn neutral behandelt werden. Es darf nicht einseitig den Verdacht äußern, dass die sich nicht ans Mäßigungsgebot halten würden oder die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit verlassen“, sagte Marc Vallendar. Vallendar sitzt für die AfD im Abgeordnetenhaus – in diesem Verfahren trat er als ihr Verfahrensbevollmächtigter vor Gericht auf.

Konkret geht es darum: Im April 2017 hatte der damalige leitende Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch auf einem Parteitag der Brandenburger AfD erklärt: „Wenn die Blockparteien so weitermachen können wie bisher, dann hat unser Land in 20 Jahren fertig, wir wären wirtschaftlich ruiniert, von einer nicht-deutschen Mehrheit besiedelt und auf dem besten Weg in die islamische Republik.“ Inzwischen sitzt Reusch im Bundestag.

„Hier wurde nur auf Fragen reagiert“

Mit Reuschs Aussagen hatte ein Fernsehteam des RBB den Justizsenator konfrontiert, und dieser kommentierte Reuschs Rede unter anderem so, dass für den Bundestagswahlkampf „einiges zu befürchten“ sei und die Dienstbehörde dies dann „auszuwerten“ habe. In einer Fragestunde im Abgeordnetenhaus wenig später sagte Behrendt auf mehrere Nachfragen, dass hinsichtlich der AfD-Bundestagskandidaten wegen der Äußerungen aus der AfD in anderen Bundesländern Anlass bestehe, „genauer hinzugucken“, ob sie sich an das dienstrechtliche Gebot zur Mäßigung sowie zum jederzeitigen Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung hielten.

„Hier wurde nur auf Fragen reagiert“, sagte der Verfahrensbevollmächtigte des Justizsenators, Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht an der Humboldt-Universität. Das sei nicht mal ein Eingriff in die Rechte der AfD. „Wenn Regierungsmitglieder Ressourcen des Ministeriums nutzen, etwa Geld oder Öffentlichkeit, ist die Frage der Neutralität besonders dringlich. Hier eher nicht. Auch Regierungsmitglieder haben das Recht, sich politisch zu äußern“, sagte Möllers.

„Recht zum Gegenschlag“

Spannend werde nun, wie das Gericht die Aussagen Behrendts in der Fragestunde im Plenum bewerte. Denn die Opposition könne sich dort ja besonders krass äußern, während Regierungsmitglieder in ihren Äußerungsmöglichkeiten beschränkt sind. „Wir glauben, dass man im Parlament einen freien Austausch von Argumenten hat. Da kann es nicht sein, dass die eine Seite härteren Regeln unterliegt als die andere“, sagte Möllers. Das Bundesverfassungsgericht hatte das sogenannte „Recht zum Gegenschlag“ für Staatsorgane verneint – erst im Februar in einem anderen Fall der AfD, bei dem die Bundespartei gegen die ehemalige Bildungsministerin Johanna Wanka vorging und für sich entscheiden konnte. Wie dies bei einer hitzigen Plenardebatte aussieht, ist indes noch nicht geklärt. Am 4. Juli will der Berliner Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung verkünden.

Möllers zeigte sich nach der Verhandlung optimistisch. Behrendt selbst wollte sich nicht äußern.

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