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Berlin: Entstaubt

140 000 Festivalbesucher belebten die Museumsinsel Die Veranstalter ziehen Bilanz – und machen nun Urlaub

Von Lars von Törne

Dem Charme dieses Ortes konnte sich auch Rock-Ikone Patti Smith nicht verschließen. Als die Sängerin im August vor der Alten Nationalgalerie auf die Freiluftbühne trat, bestaunte sie die klassische Kulisse um sich herum, schaute in den Abendhimmel über den Museen und sagte sichtlich ergriffen: „Beautiful.“ Ähnlich wie dem Gast aus New York ging es offenbar auch mehr Berlinern als je zuvor: Rund 140 000 Besucher pilgerten nach Angaben der Veranstalter in den vergangenen vier Monaten vor die Alte Nationalgalerie oder zum neuen Spielort des Museumsfestivals auf dem Kulturforum am Potsdamer Platz. Ein Jahr zuvor waren es, damals noch ohne Kulturforum, 100 000 Besucher. An der Begeisterung des Publikums für die vor drei Jahren als Open-Air-Spielfläche entdeckte Museumsinsel konnte auch der vorübergehend ungewöhnlich nasskalte Sommer nichts ändern. Insgesamt 30 hochkarätige Konzerte, 240 Kinofilme – darunter Premieren und seltene Aufführungen – sowie extra für den Ort inszenierte Theaterstücke gab es während der Saison bis zum vergangenen Wochenende zu sehen. Nächstes Jahr wollen die Veranstalter das Festival fortsetzen, wenn auch mit abgespecktem Konzertprogramm.

Die besondere Anziehungskraft des Ortes zeigte sich auch an den Zaungästen mit Picknickkörben, Weinflaschen und Decken – Tausende feierten auf diese Weise ein Umsonst-und-Draußen-Festival zu den Klängen von Toto, Keimzeit oder der US-Souldiva Erykah Badu. „Das kommt unserer Absicht entgegen, die Museumsinsel als öffentlichen Kulturort zu vermitteln“, sagt Festivalleiter Christoffer Richartz vom Besucherdienst der Staatlichen Museen. Das Sommerfestival – das trotz seines Erfolges beim Publikum bis heute innerhalb der Museumsleitung umstritten ist – habe es geschafft, den Begriff „Museum“ neu zu besetzen. Die ausgelassene Atmosphäre hat die alten Gemäuer von Kategorien wie „verstaubt“, „rückwärtsgewandt“ oder „trocken“ befreit, freut sich der Festivalchef. Auch sei es gelungen, auf das bisherige „Niemandsland“ Kulturforum am Potsdamer Platz wenigstens so viel Aufmerksamkeit zu lenken, dass die Kinovorführungen dort kein Minusgeschäft waren.

Besonders beglückt zeigen sich Richartz und sein Kollege Frank Scholze über jene Veranstaltungen, die inhaltlich eng mit dem Spielort korrespondierten – etwa über den Auftritt des Geigers Nigel Kennedy. Oder das Opernfest „Olympische Gesänge“ im Pergamonmuseum mit Bezug auf Kunstwerke in der Antikensammlung. Oder die Premiere des Dokumentarfilms „Brass on Fire“ mit anschließendem Auftritt der Gruppe Fanfare Ciocarlia – unter dem Schriftzug „Der Deutschen Kunst“ an der Alten Nationalgalerie.

„Uns ist es wichtig, auf dieser einzigartigen Fläche etwas Außergewöhnliches zu machen“, sagt Timothy Grossman, mit seinem Kompagnon Tobias Hackel Geschäftsführer der Firma Kino & Konzerte (k&k), die den Großteil der Veranstaltungen organisierte. Die beiden, die auch das Kino Balázs in Mitte betreiben, legen Wert auf eine ausgewogene Mischung von Angeboten für ein Massenpublikum sowie einem künstlerisch anspruchsvollen Programm. So sei es möglich gewesen, neben Selbstläufern wie Element of Crime auch exklusive Künstler wie Ravi Shankar auf die Insel zu holen. Die Hälfte der Veranstaltungen habe ein Minus gemacht, die andere Hälfte ein Plus.

Unerfreulich waren aus Sicht der Festivalleitung nur zwei Dinge: Zum einen das Wetter, dem im Juli das Konzert der Gruppe „Air“ zum Opfer fiel und das auch einer der Gründe für einige sehr schlecht besuchte Kinoabende war. Noch unerfreulicher jedoch war der Streit mit einem Co-Veranstalter des Festivals, der Firma Transatlantico. Diese hatte, neben dem Hauptveranstalter k & k ein Dutzend Konzerte auf die Insel gebracht und dann, wie berichtet, Insolvenz angemeldet. Dem waren Streitereien mit den Besucherdiensten der Museen und dem Hauptveranstalter vorausgegangen – am Schluss hatte man nur noch über Rechtsanwälte miteinander Kontakt. In öffentlichen Briefen warf Transatlantico der Museumsleitung vor, sie gezielt benachteiligt zu haben. „Unsinn“, sagt Festivalchef Richartz. Er geht davon aus, dass die Insolvenz auf Probleme zurückzuführen ist, die vor dem Festival entstanden. Die Firma Transatlantico, die sich dem Vernehmen nach kurz nach der Insolvenz unter verändertem n neu gründete, war für Rückfragen nicht zu erreichen.

Als Lehre aus dem Streit wollen die Besucherdienste nächstes Jahr stärker darauf achten, dass alle am Festival Beteiligten einvernehmlich zusammenarbeiten, sagt Richartz. Auf einen Veranstalter wolle man sich aber an dem exponierten Ort nicht beschränken. Die Zahl der Konzerte soll auf etwa ein Dutzend reduziert werden, eine Konsequenz aus gelegentlich geringen Besucherzahlen.

Die Veranstalter Timothy Grossman und Tobias Hackel träumen indessen davon, den Festivalcharakter noch weiter auszubauen. So wollen sie im nächsten Sommer ein großes Straßentheaterfestival auf der Insel veranstalten, mit Gruppen aus ganz Europa. Auch soll das italienische „La- Piazza“-Programm ausgeweitet werden. Jetzt holen die beiden aber erstmal ihren Sommerurlaub nach.

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