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Berlin: Entwicklungshilfe für Wedding

Neue Initiative will Problemkieze aufwerten

Als vor vier Jahren das Varieté Chamäleon mit einer Spielstätte in die Weddinger Kulturwüste zog, staunte Berlins Bühnenwelt über so viel unerschrockenen Pioniergeist – doch ein Jahr später war die Expedition gescheitert. „Hacki“, Clown und künstlerischer Leiter des Chamäleon, machte dafür den Prinzenallee-Kiez verantwortlich: „Unsere Gäste mussten Angst haben, auf dem Weg zur Show eins auf die Schnauze zu bekommen.“

Immer mal wieder wird dem sozial angeschlagenen Wedding die kulturelle Renaissance prophezeit. Von den meisten Initiativen hört man bald darauf nichts mehr. Sogar Norbert Blüm, bekennender Wedding-Fan, hat sich aus seiner Zweitwohnung in der Grenzstraße wieder ins Bonner Sorglos-Biotop zurückgezogen.

Jetzt gibt es einen neuen Anlauf: Heute Abend gründet sich die Initiative „Der Wedding lebt“. Verantwortlich zeichnen zwei angesehene Berufs-Weddinger: Evelyn Fischer, Leiterin der Intendanz der Deutschen Welle, und Michael Wolfssohn, Geschichtsprofessor und Eigner der „Gartenstadt Atlantik“, einem Viertel am S-Bahnhof Gesundbrunnen.

Evelyn Fischer fühlt sich im Haus der Deutschen Welle in der Voltastraße schon seit Jahren wie in einem „Raumschiff“. Drinnen machen gut bezahlte und hoch qualifizierte Redakteure das deutsche Auslandsfernsehen, draußen sitzen die Weddinger bei Bier und Currywurst und wissen nicht mal, was die Deutsche Welle überhaupt ist. „Es gibt keinen Bezug zum Kiez. Alle, die hier arbeiten, wohnen woanders.“ Dieses Nebeneinander müsse man aufbrechen. Frau Fischer denkt daran, Praktikantenplätze mit Kandidaten aus der Umgebung zu besetzen oder einen „Tag des offenen Wedding“ zu organisieren. Der andere spiritus rector, Michael Wolfssohn, hat einen Teil seiner Arbeit für den Wedding schon geleistet. Die „Gartenstadt Atlantik“, ein Ensemble aus 500 Wohnungen, wird denkmalgerecht saniert. Mittelpunkt der Anlage ist das „Lichtburg-Forum“, ein kleines Kulturzentrum mit Lesungen, Filmen und Konzerten. Wolfssohn will eine „Künstlerkolonie“ aus der Gartenstadt machen. Stipendiaten des deutschen Pen-Zentrums wohnen schon dort.

In der neuen Initiative sollen sich vor allem Weddinger Unternehmer zusammenfinden, um ihrem Viertel das Underdog-Image auszutreiben. Die Wirklichkeit des Wedding sei besser als die Bilder in den Köpfen, sagt Wolfssohn. Es gehe um eine „soziokulturelle Aufwertung“. Schering macht mit, die Deutsche Bank, von anderen weiß man es noch nicht genau. Es soll erst einmal ein Anfang gemacht werden, sagt Frau Fischer. Einige hätten sie gewarnt. Der Wedding sei hoffnungslos verslumt. Aber Evelyn Fischer lässt nichts unversucht. „Kann sein, dass die Sache in die Hose geht.“

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