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In der Panzerglasbox. Mehmet Y. soll zwölf Mal in das Auto gefeuert haben. Foto: dpa

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Berlin: „Er wollte uns alle töten“

Exfrau des mutmaßlichen Doppelmörders vom Wedding sagte vor Gericht aus Sie hatte Mehmet Y. schon vor den Schüssen auf ihre Familie angezeigt.

Berlin - Der mutmaßliche Doppelmörder von Wedding drehte sein Gesicht zur Wand, als seine geschiedene Frau den Saal betrat. Die 25-Jährige saß am 4. August 2011 mit vier Verwandten im Auto, als Mehmet Y. plötzlich mit einer Waffe auftauchte. Da waren sie seit drei Monaten geschieden. „Er stand hinter der Heckscheibe“, sagte Feride C. am Mittwoch vor dem Landgericht. Dann seien schon Schüsse gefallen. „Ich hatte das Gefühl, es hört nicht mehr auf, er wollte uns alle töten.“ Ihre Mutter und eine 22-jährige Schwester starben im Kugelhagel. Ein Bruder wurde schwer verletzt.

Mehmet Y. hatte sich in dem seit Anfang Mai laufenden Prozess schon mehrfach aufbrausend gezeigt. Diesmal vergingen 30 Minuten bis zum Eklat. Der 25-jährige Mann türkischer Abstammung stand in seiner Box aus Panzerglas und zeigte auf seinen ehemaligen Schwiegervater auf der Bank der Nebenkläger. „Alles wegen dir, du Schwein“, rief er wütend. Es war die Tochter des Beschimpften, die konterte. „Gott soll dich verdammen“, rief die junge Frau mit Kopftuch.

Feride C. versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. Sie arbeite seit November in einer Firma, sagte sie. „Ich halte es zu Hause nicht aus, überall ist meine Mutter, meine Schwester.“ Ihr Vater habe ihr sehr geholfen und ihr immer wieder erklärt: „Beschuldige dich nicht selbst.“ Er versuche, sich seinen Schmerz nicht anmerken zu lassen. Wegen ihrer Geschwister, so die Frau. „Sie sind noch klein.“ Der Zorn des Angeklagten aber richtet sich gegen seinen Ex-Schwiegervater. Mehmet Y. sagte vor Gericht, ihm sei am Tattag „plötzlich klar geworden, dass ich Feride von ihrem Vater befreien müsste“. Er schob auch den Kauf der Waffe auf den 51-Jährigen. Damit habe er sich schützen wollen, behauptete er. Er habe aber „keinesfalls töten oder verletzen wollen“.

Es gab Warnungen weit vor der Katastrophe. Feride C. zählte sie auf. Bereits nach zweijähriger Ehe habe er Todesdrohungen ausgestoßen. „Ich schieße dir in den Kopf, wenn du mich verlässt“, soll Mehmet Y. im Februar 2007 gesagt haben. Sie zog zu ihren Eltern, erstattete Anzeige. Doch sie ließ sich bald umstimmen. „Er kam, hat geweint.“ Ihr Vater habe ihr die Wahl gelassen: „Mach, wie du denkst.“ Sie zog ihre Aussage zurück. „Weil wir uns versöhnt hatten.“

War es am Anfang Liebe? „Ja“, bestätigte die Frau. Sie war knapp 18 Jahre alt und in Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, als sie mit Y. ohne Erlaubnis ihrer Eltern ein paar Tage in Brandenburg unterwegs war. Danach hielt er um ihre Hand an. Der Ruf der Tochter stand auf dem Spiel. Die Eltern willigten ein. Y. aber veränderte sich bald. „Ich durfte nicht arbeiten“, sagte Feride C. Ihr Exmann sei sehr eifersüchtig gewesen. Manchmal habe er sie auch geschlagen. Als er im Jahr 2010 einer 17-Jährigen nachstellte, habe sie sich getrennt. Y. aber wollte das nicht akzeptieren. Feride C. erwirkte eine gerichtliche Verfügung, nach der er sich nicht mehr hätte nähern dürfen. „Er hielt sich nicht daran.“

Feride C., ihre Mutter, ihr Bruder, ihre Schwester und ihr Schwager wollten mit dem Auto zur Ausländerbehörde fahren, Formalitäten für eine Hochzeit klären. Mehmet Y. trat laut Anklage in der Kolberger Straße an den ausparkenden Wagen und drückte ab. Er schoss auf den 27-jährigen Bruder, der am Steuer saß, dann auf die Frauen auf der Rückbank. Die Anklage wirft ihm zwei Morde und drei Mordversuche vor. Er habe aus „Rache, Hass, Eifersucht und Verärgerung wegen des Verlustes seines Aufenthaltsstatus“ geschossen. Der Prozess wird am 29. Mai fortgesetzt.

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