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Berlin: Erfahrener Fahrrad-Dieb

77-Jähriger stahl und stahl – jetzt steht er wieder vor Gericht. Wie so oft in seinem Leben

Schlohweißes und schulterlanges Haar, Rauschebart, rote Krawatte und weißes Hemd – recht flott kam Rudolf S. in den Gerichtssaal. Wie es da langgeht, weiß er nur zu gut. Schließlich ist der 77Jährige ein Mann mit einer rekordverdächtigen Vergangenheit. Er saß 1947 das erste Mal als Dieb auf der Anklagebank. Es folgten 57 Jahre als Langfinger und 35 Verurteilungen. Rudolf S. dürfte Anwärter auf den Titel „Berlins dienstältester Fahrraddieb“ sein. Beim 36. Prozess aber gelobte er Besserung.

Auf dem Richtertisch türmten sich die Akten. Gleich zehn Anklagen musste die Staatsanwältin verlesen. Rudolf S. sagte: „Bitte Stück für Stück. Ich bin doch keine 60 mehr.“ Es ging um insgesamt 21 Fahrräder und drei Mopeds. Die soll er zwischen Dezember 2001 und August 2003 gestohlen oder als Hehler verkauft haben. „Er durchschnitt mit einer Kneifzange das Drahtseil eines Fahrrades im Wert von 800 Euro und verkaufte es später für 50 Euro“, hieß es in einer der ersten Anklagen. „Ja, stimmt schon“, meinte der Rentner aus Reinickendorf.

Bei seinen Touren quer durch die Stadt hielt er Ausschau nach Fahrrädern, die „nicht so ein dickes Schloss hatten“, gab der Angeklagte zu. Oft will er Räder aufgekauft und verhökert haben, die andere Diebe auf dem Flohmarkt anboten. „Ich wusste schon, dass die geklaut waren“, gab er auch den Vorwurf der Hehlerei zu. Mehrfach wurde der drahtige Rudolf S. auf frischer Tat ertappt, wenn er sich mit Bolzenschneider oder Zange ein Rad besorgen wollte.

15 Räder, die von Schulhöfen oder vor Häusern verschwunden waren, wurden schließlich bei ihm sichergestellt. „Sie hätten Fahrradhändler werden sollen“, sagte die Richterin. Rudolf S. ließ den Kopf hängen. „Ich habe Mist gebaut“, murmelte der gelernte Melker. Wie so oft in seinem Leben. Es waren meistens Diebstähle, die zu den vielen Verurteilungen führten.

Insgesamt hat Rudolf S. bereits 44 Jahre und einen Monat in Gefängnissen gesessen. „Ich muss jetzt endlich etwas ändern. Ich höre mit den Sachen auf“, versprach er unter Tränen. „Bei mir ist Feierabend.“ Um die 36. Strafe kam er nicht herum. Zwei Jahre Haft wegen Diebstahls und Hehlerei verhängte das Amtsgericht Tiergarten. Bis zur Ladung zum Strafantritt bleibt der Rentner in Freiheit und hoffentlich straffrei. Denn eine Chance hat er aus Sicht seines Anwaltes noch: Er könnte ein Gnadengesuch einreichen. K.G.

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