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Die 22-jährige Trang Tran Thu erlebte in der Ausländerbehörde lange Wartezeiten - und Solidarität unter den "Kunden".

© Doris Spiekermann-Klaas

Erfahrungsberichte Ausländerbehörde: „Bei mir hat eigentlich alles geklappt!“

Verschiedene Menschen erleben verschiedene Dinge in der Ausländerbehörde. Hier lesen Sie ihre Erfahrungsberichte: Auf dem Weg zur Behörde, kurz vor der Ausweisung und beim Versuch die Passkontrolle am Flughafen zu passieren.

"Die Ausländerbehörde öffnet donnerstags um 10 Uhr. Um 9.55 Uhr war die Schlange vor dem Tor mindestens 100 Meter lang. Die Warteschlange für die Wartemarken, wohl bemerkt. Als ich endlich drankam und eine Marke gezogen habe, stand darauf die Nummer 77. Mir wurde aber gesagt, dass rund 100 ,Kunden‘ vor mir seien. Da habe ich gefragt, ob die ab minus 30 zählen?

Auf einem Bildschirm wurde mir angezeigt, dass ich sieben Stunden warten soll. Da bin ich zur Mitarbeiterin am Infoschalter gegangen und habe nachgefragt. An diesem Tag war die Ausländerbehörde nur bis 16 Uhr geöffnet. Sie hat mich mit einem „Weiß ich nicht“ abgewiesen. Es hat dann doch nur drei Stunden gedauert, zwischendurch war ich aber einen Kaffee in Kreuzberg trinken. Man muss sich Strategien ausdenken, um diese Behördengänge einigermaßen zu überstehen.

Deswegen habe ich angefangen zu schauen, wie sich die ,Kunden‘ gegenseitig helfen. Zum Beispiel stand da einmal eine Frau vor dem Kassenautomaten und hatte keinen Plan, wie das funktionieren soll mit dem Bezahlen. Da waren schon drei, vier andere Antragsteller da und haben erklärt, wie das geht, haben ihr das Geld gewechselt. Mir geht es ja noch gut. Ich bin mit meiner Niederlassungserlaubnis extrem privilegiert. Andere haben viel schwierigere Fälle."

Trang Tran Thu, 22, studiert Sozial- und Kulturanthropologie.

"Die Behörde war für mich immer eine große Belastung"

"Ich möchte anonym bleiben. Mein Verfahren bei der Ausländerbehörde läuft noch, da ist es nicht hilfreich, wenn mein Name und mein Bild in der Zeitung stehen. Die Behörde war für mich immer eine große Belastung, auch, als ich noch studiert und alle Kriterien erfüllt habe. Jetzt, so kurz vor Ablauf der Frist, in der ich einen Arbeitsvertrag, den ich noch nicht habe, vorweisen muss, ist der Stress erdrückend.

Ich habe allgemein Probleme, einen guten Job in Deutschland zu finden. In einer der vielen Absagen wurde Klartext gesprochen: ,Wir stellen nur deutsche Staatsbürger ein.‘ Ich habe mich dann auf mehr und andere Stellen beworben, immer mit Blick auf die Frist. Nun werde ich wohl einen Job antreten, der meinen Vorstellungen nicht wirklich entspricht. Aber die Behörde möchte, dass ich ein hohes Monatsgehalt nachweise. Ob es meine Berufung ist, ich es als relevant empfinde, was ich mache, ist denen egal. Ich würde am liebsten promovieren. Ich habe sogar schon ein Angebot dazu, Aussicht auf ein Stipendium. Aber das dauert länger, bis es in trockenen Tüchern ist – und da ist immer wieder diese Frist.

Ich möchte in Deutschland bleiben. Ich komme aus Lateinamerika. In meinem Herkunftsland ist es nicht so leicht, als Homosexueller zu leben, sexuelle Orientierung ist dort ein Diskriminierungsgrund. Ich habe hier meine Freunde, und ich habe nach mehr als zehn Jahren Berlin als Zuhause schätzen gelernt. Ein Freund hat mir angeboten, mit mir eine Scheinehe einzugehen. Viele, die so betroffen sind wie ich, machen das. Es ist einfacher, dann hat die Behörde nichts mehr zu meckern. Aber für mich ist das nichts."

"Wenn man als Ausländer kein Deutsch kann, ist man aufgeschmissen"

Bei Ruth Preser hat in der Ausländerbehörde alles funktioniert, mit ihrem Sohn gab es jedoch Probleme.
Bei Ruth Preser hat in der Ausländerbehörde alles funktioniert, mit ihrem Sohn gab es jedoch Probleme.

© Claudia Peppel

"Eine Berliner Freundin hat mir buchstäblich verboten, alleine zur Ausländerbehörde zu gehen. Die Mitarbeiter sprechen leider nur Deutsch. Ich spreche nur Englisch, und wenn man als Ausländer jeglicher Couleur kein Deutsch kann, ist man in dieser Behörde aufgeschmissen. Bei mir hat aber eigentlich alles geklappt, auch wenn es kompliziert war. Ich habe in Berlin ein Forschungsprojekt durchgeführt, hatte eine solide Finanzierung.

Mit meinem dreizehnjährigen Sohn gab es aber großen Stress. Er bekam zwar eine Aufenthaltsgenehmigung, auf der steht aber, dass er nicht in Deutschland arbeiten darf. Gut, dass hier Kinderarbeit verboten ist. Was nicht draufstand: Zwischendurch durfte er auch nicht aus dem Schengen-Raum ausreisen. Es liegt aber in der Natur von ,Ausländern‘, manchmal ins Ausland zu reisen. Er wollte unsere Familie in Israel besuchen, und da standen wir am Flughafen Tegel und der Junge durfte nicht raus. Der Grenzpolizist meinte, dass er dann nicht wieder mit demselben Aufenthaltstitel einreisen darf.

Wir mussten herumtelefonieren, es wurde sehr laut an der Passkontrolle, schließlich ließen sie ihn fliegen. In der deutschen Botschaft in Israel wollten sie ihm aber dann keine neue Aufenthaltserlaubnis ausstellen, das könne nur die Ausländerbehörde. Was ich damit sagen will: Man bekommt wichtige Informationen oft erst dann, wenn man explizit danach fragt. Weil ich das deutsche System noch nicht komplett durchdrungen habe, steht mein Sohn dann vor einem schreienden Grenzpolizisten."

Ruth Preser, 43, ist Postdoc im Fach „Queer and Cultural Studies.

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