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Berlin: Erhöhte Alarmbereitschaft

In Spandau haben Vernachlässigungen die Arbeitsabläufe der Ämter verändert

Manchmal können schlimme Vorfälle auch etwas Positives bewirken: Sie stoßen Veränderungen an. Zum Beispiel in Spandau. Hier wurden vergangenen November zwei Fälle von Kindervernachlässigung bekannt. Die Kinder hatten längere Zeit in völlig verdreckten Wohnungen gelebt. Im Anschluss wurde viel darüber diskutiert, was man im Bezirksamt verbessern könnte, um früher auf verwahrloste Familien aufmerksam zu werden. Danach wurden tatsächlich konkrete Verbesserungen beschlossen.

Zum einen gebe es nun einen „kürzeren Draht“ zwischen den Abteilungen Jugend/Familie und Gesundheit/Soziales, sagt Jugendstadträtin Ursula Meys (SPD). Sie und ihr Parteikollege und Sozialstadtrat Axel Hedergott hätten gemeinsame Arbeitsanweisungen beschlossen. Ihre Mitarbeiter würden gemeinsam besprechen, wie vorgegangen werden muss, wenn ein Fall von Kindesvernachlässigung bekannt werde.

Außerdem wurden Meldebögen entwickelt, auf denen die Mitarbeiter der beiden Abteilungen notieren, wenn Nachbarn, Verwandte oder Bekannte, Lehrer oder Polizisten telefonisch auf einen Fall aufmerksam machen. Ein Anruf bei der Behörde führe aber nicht nur dazu, dass ein Meldebogen ausgefüllt werde, sagt Ursula Meys, sondern auch dazu, dass Behördenmitarbeiter der Familie einen Besuch abstatten. Von einem Hausbesuch werde nur abgesehen, wenn die Familie dem Amt bekannt sei und schon betreut werde. Dies müsse dann detailliert auf dem Meldebogen begründet werden. Die Bögen landen schließlich auf dem Schreibtisch der Jugendstadträtin, die die Vorgänge nochmal überprüfe.

Anfang März wurde das neue Meldesystem eingeführt. Seitdem seien 154 Bögen ausgefüllt worden. Das heißt, in 154 Fällen haben sich Menschen Sorgen über ihre Mitmenschen gemacht. „Die Leute schauen genauer hin“, sagt Meys. „Darunter waren auch Nachbarn, die darauf hinwiesen, dass im vierten Stock gegenüber ein Kind oft am Fenster sitze. Sie fürchteten, es könne herausfallen“, sagt Meys. Behördenmitarbeiter hätten daraufhin in der Wohnung kontrolliert, ob Fenstergriffe ordnungsgemäß montiert seien und auch sonst für die Sicherheit der Kleinen gesorgt sei. Manchmal habe man bei den Hausbesuchen festgestellt, dass eine intensivere Betreuung angebracht ist.

Momentan werden laut Jugendstadträtin Ursula Meys in Spandau rund 1000 Familien und alleinerziehende Mütter und Väter von Familienhelfern betreut oder in Heimen untergebracht. Die Gelder dafür seien aber in den vergangenen fünf Jahren von 40 Millionen Euro auf jetzt 22 Millionen Euro gekürzt worden. Man habe billigere Angebote suchen müssen, manchmal Gruppen- statt Einzelbetreuung verordnet oder die Versorgung sofort beendet, wenn sie nicht mehr ganz akut notwendig gewesen sei. clk

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