zum Hauptinhalt

Berlin: Erinnerungen an das Modell Weizsäcker

Die Berliner CDU diskutiert schon jetzt über einen Spitzenkandidaten und hofft auf Hilfe von außen

Wer einen guten Spitzenkandidaten hat, braucht keine Führungsdiskussion. In der Berliner CDU theoretisieren dieser Tage viele über einen guten Kandidaten für die Wahl im September 2006. Ebenso viele wundern sich darüber, dass es diese Debatte gibt – jetzt, viel zu früh, um etwas zu entscheiden, mit einem Sortiment von Namen und ungefragten Kandidaten. Die ziellose Debatte in der Partei zeigt zweierlei: Die CDU hat keinen, dessen Eignung über alle Zweifel erhaben ist. Außerdem beweist die Debatte, dass viele in der Partei mit der Arbeit des Landesvorstands nicht zufrieden sind. Wer Personalien so ausgiebig diskutiert wie die Berliner CDU zurzeit, der riskiert vor allem, das Personen beschädigt werden – und sei es die eigene Führung.

Landeschef Joachim Zeller will sich zu solchen Diskussionen gar nicht offiziell äußern. Er ist als Spitzenkandidat denkbar und am Beginn der Debatte nicht unschuldig. Vor ein paar Monaten sagte Zeller sinngemäß, er traue sich das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu. Heute moderiert er die Bedeutung seiner Worte herunter. Fest steht, dass er sich ins Gespräch gebracht hat und keiner ihm laut widersprach.

Dann gibt es eine Liste von großen CDU-Namen. Deren Träger zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel Ansehen genießen. Gerne werden CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und Fraktionfinanzfachmann Friedrich Merz genannt. Nichts spricht dafür, dass einer von beiden seine Ambitionen im Bund, in einem möglichen Merkel-Kabinett oder in einer möglicherweise sehr großen CDU-Fraktion aufgeben würde, um statt des Bundestagswahlkampfes Prospekte verteilend über Berliner Wochenmärkte und Fußgängerzonen zu laufen. Gegen ein Berliner Engagement eines Meyer oder Merz spricht die Psychologie: Den westdeutsch geprägten Bundesliga-Profis dürfte das in Berlin verlangte Gefühl für die Besonderheit der Berliner fehlen.

Seit einiger Zeit wird auch der Name Annette Schavan genannt. Die Schul- und Bildungsfachfrau aus Baden-Württemberg hätte – immer in der Theorie – kein Terminproblem: Die Nachfolge Erwin Teufels sollte mit der Landtagswahl im Frühling 2006 entschieden sein. Doch sagen Parteifreunde auch ihr bundespolitischen Ehrgeiz nach. Ob sie sich in der Berliner CDU mit ihrem rauen Umgangston und ihrer Gewöhnung an männliche Autorität wohl fühlen würde, darf bezweifelt werden. Ob die Berliner CDU mit einer Frau zurecht käme, die die Kopftuchfrage konservativ-provokant und wertebewusst gestellt hat, ist nicht sicher. Immerhin gibt es die Bereitschaft, Annette Schavan einen Listenplatz für die Wahl zum Abgeordnetenhaus zu garantieren.

Doch kennen alle an der Personaldebatte Beteiligten den Artikel 1 aller Personaldebatten: „Schnell genannt, schon verbrannt.“ Mehr als zwei Jahre vor der Wahl ist man sich in der CDU wenigstens darin einig, dass es „unprofessionell“ ist, Personalfragen jetzt öffentlich zu erörtern. Also erörtert man sie halb öffentlich. Das hat mit dem Unwohlsein der Partei an sich selbst zu tun: Viele haben das Gefühl, seit der Führungskrise im Mai 2003 nicht weitergekommen zu sein. Der stellvertretende Fraktionschef Michael Braun dürfte für viele Amts- und Mandatsträger sprechen, wenn er sagt: „Es gibt in der Berliner CDU einen breiten Konsens, dass jemand kommen muss, der das Berliner Niveau überragt.“ Die EU-Wahl habe gezeigt, wie viele sich angeödet von der Politik abgewandt hätten. Dazu die krisenhaft finanzielle Situation – beides verlange nach einem Politiker an der Spitze, der den Leuten Vertrauen vermittle und komplizierte Sachverhalte erklären könne.

Etwas verbindlicher als jetzt wird das Headhunting der Hauptstadt-CDU erst im Frühjahr 2005. Dann sollen Kreis- und Ortsverbandschefs neu gewählt und damit die Mehrheitsverhältnisse klar sein. Dann könnte man sich verbindlich mit Personen wie Klaus Töpfer oder Heinrich von Pierer in Verbindung setzen. Den Chef des UN-Umweltprogramms und den Siemens-Vorstand eint zweierlei: Noch hat niemand in der Berliner CDU ernsthaft an ihrem guten Ruf gekratzt. Außerdem stünden – rein theoretisch – beide zur Verfügung. Töpfers Job läuft 2006 aus. Von Pierer will 2005 vom Siemens-Vorstand in den Aufsichtsrat wechseln. Die Berliner CDU hofft auf Rettung von oben. „Das Modell von Weizsäcker“, sagt Braun, „ist den meisten in der CDU noch sehr präsent.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false