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Erinnerungen an Sommerwochen: Die schönsten Urlaubserlebnisse unserer Redaktion

Schönste Ferien! Etwas Magie war immer dabei, wenn sechs freie Sommerwochen vor einem lagen. Tagesspiegel-Kollegen erinnern sich an Momente, die blieben.

Bobby in der Badehose

Hallo, Erinnerung, komm doch bitte mal schnell vorbei! Es war vor ungefähr 60 Jahren, da hatte meine Klasse ein Sommerferienlager in Plau am See in Mecklenburg bezogen, das war spannend. Weg von zu Hause und weg von der elterlichen Fuchtel! Freiheit! Machen, was du willst! Seine Augen in die blauen Augen einer Angebeteten versenken. Dieselbe im Badeanzug näher betrachten. Hmmm.

Aber dann, ein Ereignis, das alles andere überstrahlt: Herr Hoffmann mit Badehose. Der Mann war unser Mathelehrer, ein kluger Kopf, der stets piekfein mit Sakko, Schlips und Kragen zum Unterricht kam und uns auf diese Weise gutes Benehmen beizubringen versuchte. Hoffmann trug einen Haarkranz, der sich artig wie ein Siegersymbol um seine Glatze wand, wir nannten ihn Bobby, weil wir uns so den Jungs von Scotland Yard irgendwie enger verbunden fühlten. Bobby war eine Autorität und konnte vom Wurzelziehen nie genug bekommen (mein Gott, wann musste ich später jemals Wurzeln ziehen?).

Das Einzige, was mir von diesem Sommerausflug im Gedächtnis blieb, ist unser seriöses Mathe-As in seiner Badehose. Immer wenn es im Leben hart auf hart kommt, sollte man sich den Lehrer oder Direktor oder Zahnarzt oder Chef in Unterhosen vorstellen, dann wäre alles halb so wild. Eine Badehose tut’s ja auch. Bobby ließ sich ungeniert ablichten, und die 60 Jahre alten Fotos mit ihm sind das Beste, was von einem Sommeridyll in Plau am See geblieben ist. Lothar Heinke

Inselwunder

Ein Ausflug auf die Insel Port Cros im Süden von Frankreichs Süden, im Sommer 1971. Vom Hafenort Le Lavandou, östlich von Marseille, fuhr das Schiff mit seiner Touristenfracht los. Auch wir wollten mit: unsere Eltern, die vier Kinder und Tante und Onkel mit ihren beiden Söhnen. Trubel am Ufer, Gewimmel an Deck, allgemeine Fröhlichkeit. Auf halber Strecke, nach vielleicht 20 Minuten, fragen die Erwachsenen: Wo ist denn die Kleine?! Die Jüngste, damals fünf, war weg. Keiner konnte sich erinnern, mit wem sie an Bord gegangen war. Und dann wurde alles nervös, sogar der Kapitän. Als würde das Schiff zittern.

Es musste aber erst drüben anlegen. Per Schnellboot eilte der Vater zurück an Land, wir anderen warteten auf der Insel. Die Mutter filmte verwackelte Bilder. Und plötzlich, nach zwei Stunden oder drei, tauchten beide auf, der Vater und die Jüngste, sie quietschvergnügt. Am Pier war sie schlicht vergessen worden, jeder glaubte, sie sei bei den anderen. Gendarmen hatten das Kind in Obhut genommen, sie hatten ihm Eis spendiert, erzählte es munter. Die Welt, eben noch zersprungen, war wieder heil und rund. Caroline Fetscher

Sommer bei Onkel Karl

Als mein Vater, damals 24, aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, war sein einziger Traum ein Eigenheim. Jeden Groschen, der nicht für Essen und Kleidung draufging, legte er, oft zum Ärger meiner Mutter, zur Seite. 20 Jahre später hatte er’s geschafft. Aber Urlaub war bis dahin nicht drin. Das Meer sah ich mit 18 zum ersten Mal, die Sommerferien verbrachten meine Schwester und ich bei Onkel und Tante auf dem Land hinter Fulda. Langeweile grenzenlos – nur am Wochenende nicht. Dann zog Onkel Karl mit uns in die Wälder, Heidelbeeren pflücken, Pilze sammeln und Frösche fangen für den selbst gebauten Gartenteich.

Ich bin bis heute eine überzeugte Stadtpflanze, zu viel Grün schlägt mir aufs Gemüt, ein Urlaub ohne Wasser ist kein Urlaub. Aber ohne die Sommer am Rand der Rhön wüsste ich nicht, wie Pfifferlinge wirklich schmecken und wie köstlich Metzelsuppe, die Brühe nach der Schlachtung, ich hätte keinen Schimmer vom Hauen und Stechen im Weiher und hätte auf die wesentlichen Welterfahrungen verzichten müssen, die ich aus vielen Jahrgängen Reader’s Digest auf dem Dachboden zog. Danke, Onkel Karl! Andrea Dernbach

Die Zäsur

Bayerische Idylle, Schwarzwälder Trachten, Harzer Brocken – das waren die üblichen Regionen, in denen ich als Kind mit meiner Familie den Urlaub verbrachte. Nach der Wende wollten meine Eltern vor allem das uns unbekannte Westdeutschland kennenlernen. Es folgten etliche Urlaubsreisen zu Bauernhöfen, Schlössern und Burgen. Aber im Jahr 1997 trauten wir uns in weite Ferne: Es ging in die Türkei, und ich saß zum ersten Mal in einem Flugzeug.

Ich war damals zwölf Jahre jung, die Pubertät nahm ihren Lauf und sämtliche Eindrücke, die in diesem fremden Land auf mich einprasselten, machten diese Ferien zu den wahrscheinlich besten, die ich jemals verbringen durfte. Im Nachhinein betrachtet war dieser Trip vermutlich auch der Start meines Erwachsenwerdens. Zum ersten Mal ein Hotelzimmer ohne meine Eltern, zum ersten Mal in einem fremden Land, fernab von Österreich und Schweiz, und erstmals in einem Meer schwimmen, das nicht die Ostsee auf DDR-Seite war – eine unvergessliche Ferienreise. Anni Dietzke

Der Interrail-Virus und ein Hund zum Glück

Ein Hund zum Glück

Als Kind wollte ich nichts lieber als einen Hund. Zu Weihnachten oder zum Geburtstag, wenn man mich fragte, was ich mir wünsche, sagte ich immer: „Einen Hund.“ Bekommen habe ich leider keinen. Umso schöner waren die Urlaube, in denen ich durch Zufall auf den Hund kam. In Kärnten waren wir zweimal auf einem Bauernhof, und mit dem dortigen Hofhund und mir war es Liebe auf den ersten Blick. Auch vieles andere dort habe ich in guter Erinnerung: wie wir in der Scheune von Balken ins Heu sprangen, wir wir auf dem Traktor mitfuhren und bei der Ernte mithalfen. Am tollsten war es aber, mit dem Hund zu spielen.
Und wie groß war meine Freude, als uns einmal in Frankreich, in einer Ferienhausanlage am Mittelmeer, ein Hund zulief. Ich konnte mich kümmern, ihn füttern und ausführen – ich tat es mit Begeisterung. Schon nach ganz kurzer Zeit waren der Hund und sein Besitzer wieder vereint, der Hund hatte sich wahrscheinlich nur verlaufen. Der Abschied fiel mir schwer, und ich hätte nie zugegeben, dass es auch ein kleines bisschen anstrengend gewesen war. Sylvia Vogt

Der Interrail-Virus

In den letzten großen Ferien meines Lebens unternahm ich die erste große Reise ganz auf mich allein gestellt. Ein riesiger gelber Rucksack, unter den ein Schlafsack geschnallt war, und ein Interrail-Ticket waren meine treuen Begleiter in jenem abenteuerlichen Sommer. Wo immer ich hinkam, lernte ich junge Leute in meinem Alter kennen und freundete mich schnell mit ihnen an. Mit den Spaniern ging ich zum Stierkampf in Madrid, mit den Amerikanerinnen fuhr ich die Côte d’Azur lang bis nach Rom. Dort lernte ich von ihnen den Trick mit der Cola und den Salzstangen, wenn der Magen streikt. Bei dem Minibudget, mit dem ich damals auskommen musste, konnte das schon mal passieren.

Auf Korfu luden mich junge Griechen in ihr Ferienhaus ein. Sie wogen meinen Rucksack und schütteten sich aus vor Lachen, als ich ein Frühstücksbrettchen daraus hervorzog. Auf der langen Fahrt durch das damalige Jugoslawien kauften wir Interrailer den Bauersfrauen vom Zugfenster Melonenstücke ab. Wunderbare Gespräche haben sich bei dieser Reise ergeben, und ich habe mir einen Virus eingefangen, den ich nie wieder losgeworden bin. Reisen ohne ausreichende Begegnungen mit Menschen aus anderen Ländern lösen heftige allergische Reaktionen aus. Elisabeth Binder

Heiß wie ein Fön

Ich war mitten in der Pubertät, aber äußerlich einiges hinterher. Wie kindlich ich auf den Fotos aussehe! Dank meiner Eltern durfte ich schon früh an international prägenden Jumelages teilnehmen, also Jugendaustauschreisen des Bezirksamtes Neukölln, nach Großbritannien, nach Paris. Ich bin auch viel mit der Kirche weg, das war klasse und kostengünstig. Die flimmernde Hitze, die wir dieser Tage hier zu spüren bekommen, habe ich das erste Mal im Leben auf der Sommerferien-Jugendfahrt auf den Peleponnes gefühlt. 350 Deutsche Mark für drei Wochen volles Programm.

Als ich auf der Zugfahrt in die weite Welt im Gang den Arm zum Fenster rausstreckte, dachte ich: Das ist ja so heiß wie ein Fön! Wir haben gezeltet, wir haben in Morgenkreisen Gruppendynamisches besprochen, wir liefen beeindruckt über ausgetrocknete Böden am Meer, wie in der Wüste. An W-Lan oder Handyzocken war lange nicht zu denken, wir saßen noch mit Händen und Kopf frei zusammen und haben gequatscht. Ich habe es geliebt, so weit weg und so ganz anders. Annette Köge

Autorinnen, Autoren der Tagesspiegelredaktion

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