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Trümmer des aufgebrochenen Lüftungsschlitzes im Werkstattgebäude der JVA Plötzensee in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Ermittlungen in Berlin: Wer half den Ausbrechern von Plötzensee?

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet, eines davon gegen Unbekannt. Das andere soll prüfen, ob andere Gefangene oder JVA-Mitarbeiter den Ausbrechern halfen.

Von Ronja Ringelstein

In der Werkstatt der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee ruhen derzeit Trennschleifer, Hämmer, Hydraulikpresse. Denn nach wie vor ist nicht geklärt, wie den vier Gefangenen der spektakuläre Ausbruch am 28. Dezember gelingen konnte. Nun verdichten sich die Hinweise, dass den vier Häftlingen, die aus dem geschlossenen Vollzug entkamen, geholfen wurde. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) klang am Mittwoch im Rechtsausschuss im Abgeordnetenhaus zerknirscht, als er eingestand: „Wir haben unsere Aufgabe, Gefangene sicher unterzubringen, nicht erfüllt.“ Er könne „gut nachvollziehen, dass sich die Berliner fragen, was los“ sei, wenn nach einem Ausbruch von vier Häftlingen noch fünf weitere aus dem offenen Vollzug entweichen. Zwei von neun entwichenen Straftätern sind noch nicht wieder aufgetaucht. Die JVA-Werkstatt bleibt geschlossen, bis der Vorfall vollständig aufgeklärt ist.

Gegen drei Bedienstete wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet

Die vier Gefangenen waren über den Heizungsraum der Kfz-Werkstatt entkommen, in der sie am 28. Dezember zusammen mit elf weiteren Häftlingen gearbeitet hatten. Laut dem Bericht der Justizverwaltung, den die Abteilungsleiterin Susanne Gerlach im Ausschuss vorstellte, wurden die 15 Häftlinge an diesem Tag nur von drei Bediensteten überwacht, da der Rest – sonst seien es bis zu sieben – krank oder im Urlaub gewesen sei. Gegen diese drei wurden nun Disziplinarverfahren eingeleitet. Ob weitere entsprechende Verfahren eingeleitet würden, werde geprüft, hieß es vom Senator.

In der Kritik: Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).
In der Kritik: Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

© dpa

Immer klarer wird, dass die vier Hilfe bekamen. Dem Bericht zufolge war die Stahltür, die zu dem Heizungsraum führt, entweder unverschlossen oder sei aufgeschlossen worden. Das Profilzylinderschloss an der Tür war unbeschädigt. Die Schlüssel sind allesamt vorhanden und im Besitz der Bediensteten. Wegen des Verdachts der Gefangenenbefreiung werde gegen Unbekannt ermittelt. Behrend sagte aber auch: "Die Staatsanwaltschaft hat darüber hinaus ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem geprüft wird, ob sich weitere Strafgefangene, Bedienstete oder Dritte wegen Gefangenenbefreiung strafbar gemacht haben."

Bereits gegen 9 Uhr, nur zehn Minuten nach dem Ausbruch, erhielt der Leiter der Kfz-Werkstatt von anderen Gefangenen den Hinweis, dass einige Männer flüchteten. Eine Zählung ergab, dass vier fehlten. Dennoch wurde erst um 9:26 Uhr Alarm ausgelöst. Was in der Zwischenzeit geschehen sei, sei Teil der Ermittlungen, sagte Gerlach. Die Kameras, die die Männer beim Ausbruch filmten, hatten keine Alarmdetektoren. Offen ist, ob die Flüchtigen das wussten. Inzwischen kehrten die vier auf unterschiedliche Weise zurück in die Haft, der letzte wurde am vergangenen Freitag bei einem Taschendiebstahl in Friedrichshain festgenommen.

Offene Fragen

Behrendt sagte, auch er habe noch offene Fragen. Eine Expertenkommission soll bis Mitte März Verbesserungsvorschläge vor allem im baulichen und organisatorischen Bereich der JVA vorlegen, Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln weiter. Auch der Rechtsausschuss wird sich erneut mit der Sache befassen – die Sache wurde am Abend vertagt. Behrendt hingegen muss dem Parlament bereits an diesem Donnerstag in der Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses Rede und Antwort stehen. Sven Rissmann, Rechtsexperte der CDU-Fraktion, kündigte an, man werde darüber streiten, ob der Justizsenator die richtigen Schwerpunkte setze.

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