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Metzgerei im Veganerzentrum. Hendrik Haase in der Kreuzberger Fleischerei „Kumpel & Keule“.

© Mike Wolff

Ernährung: Für mehr Bio in Brandenburg

Brandenburg setzt kaum auf Bio-Lebensmittel, hochwertige Fleischproduktion ist eine "Nischenstrategie". Doch Hendrik Haase will mehr Regionales und Qualität auf die Teller bringen.

Wer im Lokal von Hendrik Haase einen Burger isst, wird dabei von Schweinen beobachtet, die irgendwann auch mal im Burger landen werden. Es sind nicht irgendwelche Schweine, die auf den Fotos in dem Restaurant "Speisewirtschaft" zu sehen sind, sondern Schwäbisch-Hällische Landschweine aus der Eichelmast in Baden-Württemberg. Die Tiere wachsen langsam, haben je fast 300 Quadratmeter Auslauf und werden doppelt so alt wie konventionell gehaltene Artgenossen. Bei der Wahl ihrer Produkte für das Restaurant in Berlin-Kreuzberg achten Haase und sein Partner Jörg Förstera auf jedes Detail: Getreide für die Burgerbrötchen beziehen sie aus Italien, Lamm aus Mecklenburg-Vorpommern, Käse aus Schleswig-Holstein. Aus Brandenburg ordert Haase dagegen lediglich etwas Rind und Wild.

„Ich würde gerne mehr regionale Produkte verwenden, aber die Strukturen dafür sind in Brandenburg weggebrochen.“ Gerade bei der Fleischproduktion hätten die märkischen Betriebe – gefördert von der Politik – nur auf Masse statt Qualität gesetzt. „Dabei haben die Brandenburger den größten Markt für Qualität direkt vor der Haustüre“, sagt Haase. Gerade hat er bei einer vom Wirtschaftsministerium organisierten Designkonferenz in Potsdam vor rund 100 Zuhörern dafür geworben, mehr auf Qualität und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu setzen.

Masse statt Qualität von Lebensmitteln

Haases Eindruck: In Brandenburg herrsche bei Lebensmitteln das Motto Masse statt Qualität, lässt sich mit Zahlen belegen. Wie aus der Antwort des Landwirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht, wird landesweit lediglich auf 380 Hektar Bio-Gemüse angebaut. Zum Vergleich: Allein konventionelle Möhren und Karotten werden auf rund 515 Hektar angebaut, die Gesamtanbaufläche von herkömmlichem Gemüse beträgt 6400 Hektar. Zur Bioproduktion von Fleisch konnte das Ministerium nicht einmal Angaben machen. Einen Antrag der Grünen, dafür zu sorgen, dass in Brandenburgs Kantinen mehr regionale Lebensmittel verwendet werden, wurde in der vergangenen Woche mit den Stimmen von SPD und Linken abgelehnt.

Brandenburg tue sich bei dem Thema traditionell schwer, sagt Martin Stock, Geschäftsführer des Fleischerverbands Berlin-Brandenburg. „Die Landwirtschaft ist dort überhaupt nicht auf regionale Märkte eingestellt“, sagt er. Er beklagt, dass der Fleischpreis viel zu niedrig sei und spricht sich für bessere Qualität aus. „Wer für eine Schachtel Zigaretten 6,20 Euro zahlen kann, der kann sich auch ein- bis zweimal pro Woche ein Stück Fleisch für 4 Euro leisten.“ Er freut sich, dass es in immer größeren Teilen der Gesellschaft einen Trend zum bewussteren Umgang mit Lebensmitteln gebe. „Die Politik kann dabei wichtige Impulse geben“, sagt er und verweist auf den Koalitionsvertrag des rot-rot-grünen Senats in Berlin. Darin bekennt man sich zu Produktion und Verzehr von regionalen und saisonalen (Bio-)Lebensmitteln.

Der "Food-Aktivist" schreibt Bücher und berät Politiker

In Brandenburg bezeichnet das Agrarministerium eine qualitativ hochwertige Fleischproduktion dagegen als „Nischenstrategie“. Für Hendrik Haase ist das nicht nachvollziehbar. Eigentlich ist er gelernter Grafiker und Designer. Als jedoch im Dorf seiner Großmutter eine lokale Wurst auszusterben drohte, weil die benötigten Schweine nicht mehr gezüchtet wurden, widmete er sich dem Thema in seiner Abschlussarbeit. Seither beschäftigt er sich mit Fleisch, schreibt Bücher und berät die Politik. „Food-Aktivist“ nennt man ihn inzwischen.

2015 eröffnete er in der Markthalle IX die Metzgerei „Kumpel und Keule“ – mitten im Epizentrum der veganen Berliner Hipsterszene. Doch der Laden hatte Erfolg, Anfang des Jahres eröffnete er das Fleischlokal „Kumpel & Keule“. Haase sieht sich als kommunikative Brücke zwischen Acker und Teller. In seiner Metzgerei können Kunden die Fleischer hinter einer Scheibe beobachten.

Es gehe nicht um den neusten Avocado-Trend, sondern darum, zu erkennen, dass Menschen bewusster essen würden. „Früher gingen Menschen gegen Kriege auf die Straße, heute wegen ihres Essens“, sagt er. Für Produzenten sei das eine Chance, schließlich könnten sie durch die Digitalisierung und mit immer mehr Start-ups ihre Kunden direkt, ohne Großhandel erreichen. Für Konsumenten sei entscheidend, die Produkte zu kennen, sagt Haase. Neulich war er wieder im Süden. Zu Besuch bei seinen Landschweinen.

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