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Erneuerung: Rechter SPD-Flügel will keine Revolution

Ein Landesvorstands-Beschluss für eine personelle Erneuerung der Bundesspitze stößt auf Widerstand.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Wahlergebnis vom Sonntag, das für die Berliner Sozialdemokraten katastrophal ausfiel, hat im SPD-Landesverband einen heftigen Richtungskampf zwischen der linken Parteimehrheit und der rechten Minderheit ausgelöst. Anlass des Streits ist eine Resolution für den Landesparteitag am 10. Oktober, die von der Berliner SPD-Führung am Montagabend nach mehrstündiger Diskussion beschlossen wurde. In dem Beschluss werden eine Neuaufstellung der Bundespartei und „personelle Veränderungen an der Parteispitze“ gefordert. Ohne Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Franz Müntefering.

Außerdem wird kritisiert, dass die Bundes-SPD bisher „nicht ernsthaft versuchte, einen kritischen Dialog zwischen SPD, Linkspartei und Grünen über gemeinsame wie trennende Ziele und Perspektiven zu etablieren“. Das Fazit des Landesvorstands: Die „Politik der Mitte“ sei gescheitert, denn sie habe einen Bruch mit dem programmatischen Kern der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit und der „kleinen Leute“ verursacht. Das überdurchschnittlich schlechte Wahlergebnis in Berlin wird weitgehend auf die Politik der Bundespartei zurückgeführt. Verbunden mit dem Hinweis, dass auch die Brandenburger SPD bei der Bundestagswahl nur 25,1 Prozent erzielte.

In Berlin gebe es mit knapp 60 Prozent nach wie vor eine klare Mehrheit des linken Lagers, steht in der Resolution. Innerhalb dieses „fortschrittlichen Lagers“ müsse sich die SPD mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2011 profilieren und mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wieder stärker als „Berlin-Partei“ wahrgenommen werden. Das erfordere „erhöhte Präsenz und Lösungskompetenz“ und ein „festes Standbein in puncto soziale Gerechtigkeit“, damit die SPD ihre Glaubwürdigkeit als unverwechselbar linke Volkspartei zurückgewinnen könne. Die rot-rote Zusammenarbeit in Berlin seit 2002 sei bundesweit ein „Beispiel für neue Perspektiven“.

Dieser Vorstandbeschluss stieß am Dienstag auf den Widerstand rechter SPD-Politiker, die im „Aufbruch Berlin“ organisiert sind. So nannte der Abgeordnete Tom Schreiber aus Treptow-Köpenick die Resolution einen „peinlichen Quatsch“. Offenbar sei die SPD-Spitze nicht in der Lage, das desaströse Wahlergebnis selbstkritisch zu reflektieren. Stattdessen werde die gesamte Verantwortung auf drei Führungspersonen in der Bundespartei abgewälzt und die Agenda 2010 verleugnet, die grundsätzlich richtig gewesen sei. Schreiber sprach von einem „üblen Spiel der Parteilinken“, die sich mit ihren Vorstellungen gegen einen anderslautenden Entwurf des Geschäftsführenden Landesvorstands durchgesetzt habe. Das Papier der Linken wurde maßgeblich von deren Sprecher Mark Rackles verfasst.

Selbstverständlich hätten Fehler in der Landespolitik zum Berliner Wahlergebnis beigetragen, so Schreiber. Als Beispiele nannte er das Verhalten des Senats gegenüber den Volksbegehren zu Tempelhof und „Pro Reli“ oder die Schulstrukturreform. Auch der Umgang mit dem öffentlichen Dienst könne 2011 wahlentscheidend sein. Die Berliner SPD müsse sich überlegen, wie nahe sie noch an der Bevölkerung dran sei, sagte Schreiber. Er fügte an die Adresse der eigenen Genossen hinzu: „Wer sich bei der Linkspartei besser aufgehoben fühlt, soll gehen“.

Christian Hanke, Bürgermeister des Bezirks Mitte und Sprecher von „Aufbruch Berlin“, warnte in einem Rundbrief davor, jetzt im Bundestag eine „Koalition in der Opposition“ mit Linkspartei und Grünen aufzubauen. Außerdem machte er sich für Steinmeier als neuem SPD-Fraktionschef stark. Dagegen forderten die Jungsozialisten die Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten am Dienstag auf, Steinmeier nicht zu wählen. Die Agenda 2010 sei gescheitert. Nun müsse „ein linkes Projekt zur nächsten Bundestagswahl“ vorbereitet und ein „radikaler Erneuerungsprozess“ eingeleitet werden.

Das Kräftemessen auf dem Landesparteitag am 10. Oktober wird gewiss nicht zugunsten der SPD-Rechten ausgehen, die nur ein gutes Drittel der Delegierten stellen. Aber es ist eine kontroverse Debatte zu erwarten. Zumal die SPD-Rechten am Donnerstag eine eigene Analyse der Bundestagswahl beschließen und auf dem Parteitag einbringen wollen. Außerdem liegen eine Reihe von Anträgen zur Mieten-, Bildungs- und Sozialpolitik vor, die eine deutlich „linke“ Handschrift zeigen. Ulrich Zawatka-Gerlach

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