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Berlin: Erneuter Betrug mit Gutscheinen der Arbeitsagentur

Staatsanwaltschaft klagt drei Betreiber einer privaten Arbeitsvermittlung an

Die Arbeit war ziemlich sinnlos. Manuell mussten die Beschäftigten Ketten aus Plastikperlen zusammensetzen oder Verlängerungskabel aus Steckern und Kabeln herstellen. Was sie nicht wussten: Die Ketten und Kabel wurden nach Feierabend wieder auseinander genommen, damit sie am Tag darauf wieder zusammengebaut werden konnten. Spätestens als die 79 Menschen keinen Lohn erhielten, wurde ihnen klar, dass mit der Arbeit etwas nicht stimmte.

Gegen die drei Betreiber der Firma mit angeblichem Sitz in Magdeburg hat jetzt die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Denn die Beschuldigten, unter ihnen eine Rechtsanwältin, sollen nicht nur die Beschäftigten um ihren Lohn von insgesamt 110 000 Euro betrogen sondern auch noch über die Vermittlungsgutscheine der Arbeitsagenturen Provisionen von 20 000 Euro kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, gleichzeitig auch in Berlin eine private Arbeitsvermittlung betrieben zu haben, über die sie die Menschen in die Scheinfirma vermittelten. Den Angeschuldigten, die die Tatvorwürfe nach Angaben der Staatsanwaltschaft bestreiten, droht eine Mindeststrafe von einem Jahr.

Wieder ist damit ein möglicher Betrugsfall mit den Vermittlungsgutscheinen der Arbeitsagenturen bekannt geworden. Erst am Vortag hatte die Polizei erneut auf einen anderen Fall aufmerksam gemacht und nach einem Mann gesucht, der sich Dr. Wolfgang Emanuel Stahl nannte und über eine private Arbeitsvermittlung 500 Mitarbeiter für sein angebliches „Institut für Marktanalyse“ einstellte. Durch das Kassieren der Provisionen entstand den Arbeitsagenturen ein Schaden von einigen hunderttausend Euro.

Nach mindestens sechs Wochen Arbeitslosigkeit können Erwerbslose von den Arbeitsagenturen einen so genannten Vermittlungsgutschein erhalten. Mit diesem gehen sie zu einer privaten Agentur. Bei einer erfolgreichen Vermittlung erhält diese in zwei Raten ein Honorar in Höhe von 2000 Euro.

Das System der Vermittlungsgutscheine ist nicht unumstritten. Bereits Ende 2003 hatte der Bundesrechnungshof empfohlen, die Probephase für die Provisionen an private Arbeitsvermittler nicht über das Jahr 2004 hinaus zu verlängern. Er befürchtete Missbrauch mit den Scheinen und Mitnahmeeffekte bei den Unternehmen. Dennoch beschloss die rot-grüne Koalition Ende des vergangenen Jahres, das System bis Ende 2006 zu erproben. Allerdings wurden einige Regelungen zur Auszahlung verschärft, um Betrügereien zu verhindern. Seit Januar wird die erste Rate in Höhe von 1000 Euro erst sechs Wochen nach Beginn eines Arbeitsverhältnisses ausgezahlt und nicht wie in den vorliegenden Fällen sofort nach Abschluss eines Arbeitsvertrages. Die zweite Rate wird weiterhin nach einem halben Jahr fällig. Um sich gegen unseriöse Unternehmen zu schützen, führt die Bundesagentur für Arbeit eine Liste, auf der die Firmen verzeichnet sind, für die es eine Missbrauchswarnung gibt. Anfang des Jahres waren auf dieser Liste 13 Vermittler verzeichnet.

Eine große Rolle bei der Vermittlung spielen die Gutscheine für die privaten Anbieter bisher nicht. Im vergangenen Jahr zahlten die Berliner Arbeitsagenturen Geld für knapp 8000 Gutscheine an private Vermittler aus. In Berlin waren im vergangenen Monat 328 000 Menschen arbeitslos. Die Arbeitsagenturen und Job-Center vermittelten im März 3265 Menschen in eine neue Beschäftigung.

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