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Berlin: Ernst Moritz Arndt: Patriot und Antisemit

Deutsche Kasernen, Schulen und Straßen tragen seinen Namen. In Berlin sind ein Platz, ein Gymnasium und fünf Straßen nach Ernst Moritz Arndt benannt, eine davon in Kreuzberg, parallel zur Bergmannstraße.

Deutsche Kasernen, Schulen und Straßen tragen seinen Namen. In Berlin sind ein Platz, ein Gymnasium und fünf Straßen nach Ernst Moritz Arndt benannt, eine davon in Kreuzberg, parallel zur Bergmannstraße. Der hochangesehene Mann, deutscher Dichter und Denker, hat allerdings nicht nur liebliche Heimatzeilen verfasst ("Heimweh nach Rügen") und für die Aufhebung der Leibeigenschaft gekämpft, sondern auch eifrig dazu aufgerufen, die Franzosen zu hassen, und zwar "für immer".

Überhaupt war ihm alles Fremde von Unheil für die Deutschen: "Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt, und darum will ich nicht, dass sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden (...), weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche." Da kann einer noch so hübsche Lieder geschrieben haben, finden die Schüler des Leistungskurses Deutsch am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium - wer derlei antisemitsche und rassistische Meinungen vertrat, dürfe heute nicht mehr auf Straßenschildern geehrt werden. "Wir wollen, dass die Arndtstraße umbenannt wird", sagt Nora Krauss, die sich zurzeit aufs Abitur vorbereitet. Die Schüler haben sich an die Bezirkspolitiker gewandt. Die Sache wird zurzeit geprüft.

Im Rahmen eines Projektes über die Wurzeln des deutschen Rassismus und Antisemitismus sind die Schüler auf Arndt gestoßen. "Er lieferte durch seine Flugschriften den Einstieg in die Wahnvorstellung einer germanischen Volkshygiene, die später im Faschismus wieder aufgegriffen wurde und half, die Ermordung von sechs Millionen Juden ideologisch zu legitimieren", schreibt der Deutschkurs. Arndt habe Begriffe wie "entartet" für die Juden benutzt, während er die Deutschen als ein "edles Volk mit einem reinen und herrlichen Keim" verherrlichte. Die Nazis nutzten seine Texte gerne in Schul- und Liederbüchern, auch in dem NS-Hetzfilm "Der ewige Jude" wird der Dichter zitiert.

Ernst Moritz Arndt ist 1796 auf der damals schwedischen Insel Rügen als Sohn eines ehemals leibeigenen Pächters geboren und starb 1860 in Bonn. Er studierte in Greifswald - die dortige Universität ist seit 1933 ebenfalls nach ihm benannt - Theologie und Geschichte. 1805 wurde er Professor für Geschichte und Philosophie. Er schrieb eine Kampfschrift gegen die Leibeigenschaft und trug zu deren Aufhebung in Pommern und Rügen bei. 1812 rief er zum Kampf gegen Napoleon auf. 1820 wurde der Professor im Zuge der sogenannten Demagogenverfolgung vom Amt suspendiert und durfte bis 1840 keine Vorlesungen halten. Als Abgeordneter für das rechte Zentrum zog er 1848/49 in die Frankfurter Nationalversammlung ein. Besonders bekannt sind seine "Märchen und Jugenderinnerungen".

Doch der einst gepriesene Patriot ist nicht nur in den Augen der Kreuzberger Schüler heute kein Vorbild mehr. "Bei allem Respekt für den mutigen und zuweilen kauzigen Publizisten - die Basis seines Denkens bildet eine rassistische Völkerpsychologie", ist etwa 1998 in der "Zeit" zu lesen. Die Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule plädieren für eine Umbenennung der Arndt- in Saul-Ascher-Straße. Ascher war ein Berliner Schriftsteller, der sich zu Arndts Zeiten für die Emanzipation von Juden in Preußen einsetzte und den Deutschtumswahn dieser Epoche verurteilte.

Katharina Körting

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