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Berlin: Erst Stolpe gegen alle, jetzt alle gegen Stolpe. Der Ministerpräsident im Wahlbrief: "Die Opposition macht die Menschen schlecht"

Die Oppositionsparteien in Brandenburg haben Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) vorgeworfen, gegen das Fair-Play-Gebot im Wahlkampf zu verstoßen. Vor Journalisten protestierten gestern die Landesvorsitzenden von CDU, PDS, FDP und Grünen gegen den jüngsten Wahlbrief Stolpes an alle Märker.

Die Oppositionsparteien in Brandenburg haben Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) vorgeworfen, gegen das Fair-Play-Gebot im Wahlkampf zu verstoßen. Vor Journalisten protestierten gestern die Landesvorsitzenden von CDU, PDS, FDP und Grünen gegen den jüngsten Wahlbrief Stolpes an alle Märker. In dem Brief heißt es unter anderem wörtlich: "Die Opposition macht die Menschen und das Land schlecht." Aus Angst um den Verlust der SPD-Alleinherrschaft habe Stolpe den von ihm jahrelang beschworenen "Brandenburger Weg" verlassen, so die einhellige Kritik. Nach Aussagen von PDS-Landeschefin Anita Tack erinnere dieser Stil an die frühere "DDR-Einheitspartei." Stolpe wies die Vorwürfe als völlig unverständlich zurück. Es sei eine "Frage der Ehre" klarzustellen, dass der zentrale Unterschied zwischen Regierung und CDU die Arbeitsförderung sei.

Vor allem das Verhältnis zwischen SPD und CDU, die nach dem 5. September eine Große Koalition anstrebt, hat sich damit eine gute Woche vor dem Wahltag verschärft. CDU-Spitzenkandidat Jörg Schönbohm sieht das mit Stolpe im Frühsommer in einem Vier-Augen-Gespräch vereinbarte Fair Play als aufgekündigt. Da der Wahlkampf bis zu diesem Brief insgesamt gegenseitig fair gewesen sei, fühle er sich auch "persönlich getroffen". Schönbohm sprach von einer "vergifteten Atmosphäre". Scharf wies der CDULandeschef Aussagen im Stolpe-Brief als "Volksverdummung" zurück, in denen der CDU - ohne Beleg - folgendes unterstellt wird: "Die CDU will die Arbeitsförderung abschaffen und die Menschen ihrem Schicksal überlassen" Schönbohms Kommentar: Der Renten-Lüge Schröders dürfe nicht die "ABM-Lüge" Stolpes folgen. Der CDU-Spitzenkandidat betonte, dass die CDU weiterhin eine große Koalition anstrebe, "aber nicht um jeden Preis."

Auch PDS, FDP und Grüne verwahrten sich gegen Stolpes Oppositions-Schelte. Stolpe begebe sich auf eine Ebene herab, "die er nicht nötig hat", sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Inke Pinkert-Sältzer. Selbst der sonst eher zurückhaltende FDP-Landeschef Hinrich Enderlein, früher Minister im StolpeKabinett, äußerte sich "betroffen" über den Ton des Ministerpräsidenten. "Seine moralische Integrität und die politische Kultur im Land werden damit beschädigt", sagte Enderlein. Die PDS-Landesvorsitzende Anita Tack sprach von einer "Diffamierung" der Opposition. Damit habe Stolpe den bisher praktizierten Weg der demokratischen Streitkultur im Landtag verlassen.

Aus Sicht der Oppositionspolitiker konterkariert der Wahlbrief den Versuch Stolpes, ein großes parteiübergreifendes Bündnis gegen Rechtsextremismus und den drohenden Einzug der DVU ins Landesparlament zu schmieden. Nach Aussagen des SPD-Landesvorsitzenden Steffen Reiche soll dies der eigentliche Zweck des Stolpe-Brief gewesen sein, wobei die "rechten Rattenfänger" dort nur in einem Satz kurz erwähnt werden. Reiche nannte die Kritik überzogen. Er wundere sich, dass plötzlich "so viele Boxer mit gläsernem Kinn" im Ring seien. Stolpe habe mit der Polarisierung lediglich deutlich machen wollen, worum es bei dieser Wahl geht. Die Pointierung sei für Stolpe "vielleicht gerade deshalb ungewöhnlich, weil er sich nicht als Wahlkämpfer versteht". Der SPD-Landeschef versicherte, dass die SPD den Weg des Fair Play nicht verlassen wolle. Reiche: "Wir haben ein hohes Interesse, mit allen im Landtag nach dem 5. September vertretenen Parteien konstruktiv zusammenzuarbeiten."

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