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Schreien und prusten erlaubt. Die Sound-Installation von Neeeu im Futurium kreiert sogenannte Klangwürmer.

© Ali Ghandtschi

Erste Einblicke in das "Futurium", Teil 4: Hier ist der Wurm drin

Geräusche machen digitalen Wesen Beine. Wie funktioniert das? Eine Installation von Neeeu.

Klatschen und schreien, prusten und wispern, buhen und lachen: Vor diesen knallbunten Trichtern können (und sollen) sich Kinder alles erlauben. Denn die Töne kreieren sogenannte Klangwürmer. Die digitalen Wesen haben lustige Kulleraugen und schräge Zähne, können sich im Nu vermehren, verbrüdern oder verstecken. Animierte kleine Vögel fliegen heran, durchschneiden die Würmer und setzen sie wieder zusammen.

Erfunden wurden die variablen Tierchen vom Berliner Designstudio Neeeu. Mitgründer Moco Raffael Ziegler erklärt: „Wir wollten die kühle Atmosphäre im Untergeschoss des Futurium Lab mit seinem Beton und den hohen Decken brechen und Besuchern Berührungsängste nehmen.“ Das klappt hervorragend – nicht nur bei Kindern. Diese Sound-Installation macht auch Erwachsenen Spaß.

Das zehnköpfige Neeeu-Team aus Grafik-, Medien-, Interaktions- und Industriedesignern steht aber nicht für L’art pour l’art. Wichtig sind Sinn und Zweck. Der Betrachter soll überlegen, was dahintersteckt. In der Kreuzberger Ideenschmiede wird – die Würmer einmal ausgenommen – Nützliches entworfen. Gerade haben die Kreativen zum Beispiel einen Kompass entwickelt, der, am Handgelenk getragen, per Leuchtpunkt die Richtung weist. Statt umständlich der Wegbeschreibung von Google zu folgen, findet der Radler sein Ziel beinahe intuitiv.

Es geht um das spielerische Entdecken

Ein Projekt, das im Oktober starten wird, plant Neeeu im Naturkundemuseum. Rund 300 ausgestopfte Vögel kann das Publikum hier betrachten, aber was erfährt es außer Namen, Art und Verbreitungsgebiet noch über so ein Tier? Die von Neeeu entwickelte App toppt jeden Audioguide. Mit ihrer Hilfe können Besucher dann, Schritt für Schritt, dem Ruf der Schneeeule folgen und bei dem Vogel angekommen Geschichten und Wissenswertes über ihn nachlesen. Es geht um das spielerische Entdecken. So kann man etwa an der eigenen Halsschlagader den Puls messen und ihn mit dem Herzschlag eines Kolibris vergleichen. Auf solche Ideen muss man erst mal kommen.

Auch die Gemäldegalerie möchte Neues wagen. So soll man dem Gemälde „Kaufmann von Gisze“ (1532) von Hans Holbein künftig im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund gehen können. Ein Röntgenbild zeigt, welche Veränderungen der Maler einst an dem Bild vorgenommen hat. So schaute der Porträtierte zunächst geradeaus, in der vollendeten Fassung aber blickt er zum Betrachter. Auch der Winkel des Regals auf dem Gemälde wurde vom Künstler verändert. Via Tablet können Besucher das Röntgenbild gleichsam vor das Gemälde halten und Strich für Strich vergleichen.

Nicht alles, was technisch möglich wäre, machen sie bei Neeeu. Es muss sinnvoll sein. „Wir sind alle mehr oder weniger Millenniums-Kinder“, sagt Ziegler, das heißt, sie kennen die Welt mit und ohne Internet. Vielleicht führt das dazu, „vieles zu hinterfragen“.

Die Klangwürmer machen gute Laune. Aber sie werfen auch Fragen auf. Etwa: Wo kommen diese Wesen her? Warum bringt sie der Schall in Bewegung? Das Interesse, hinter die Kulissen zu schauen, ist geweckt. Mehr kann ein Museum nicht leisten.

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