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Erster Probelauf: Testbetrieb in Schönefeld: Nur Abfliegen ist schöner

Wo ab dem 3. Juni jährlich bis zu 27 Millionen Passagiere abgefertigt werden sollen, funktionierte am Dienstag noch nicht viel - doch ausnahmsweise regte sich niemand auf. Vom Probelauf am neuen Berliner Flughafen.

Das grüne Leibchen sieht nicht sehr schmeichelhaft aus, zumal, wenn es über dicke Daunenjacken gezwungen werden muss. Und hinten steht auch noch „Flughafentester“ drauf, wie peinlich ist das denn? Im Laufe des Tages wird sich allerdings herausstellen, dass hier, im neuen Berliner Flughafen BER, so gut wie jeder eine solche Warnweste mit farblich abgestimmtem Schutzhelm trägt, fein abgestuft nach jeweiliger Bedeutung. Die Blauen sind die Mitarbeiter, Abfertigung, Polizei, Grenzschutz, die Roten gehören zum Logistikteam, das den Probebetrieb organisiert.

Und die Grünen, das sind wir, das Fußvolk, für den der ganze Rummel schließlich gedacht ist: Rund 250 Freiwillige, die ein, nun ja, historisches Datum begleiten – den ersten Kontakt des neuen Flughafens mit herumirrenden Laien. „Integrationsprobebetrieb“ heißt das im offiziellen Jargon der Experten, das Wort steht auch wichtig oben auf der Projektionsfläche, aber es wird sich zeigen, dass die Realität nicht ganz so trocken und kompliziert ausfällt.

Der Chef persönlich greift zum Mikrofon und würdigt die Bedeutung dieses Termins: „Sie sind die Ersten, die testen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden“, sagt Rainer Schwarz zur Begrüßung.

Die Ersten haben erst einmal den Nachteil des saukalten Wetters, sie sitzen mit vereisten Füßen in einem Zelt, das als Schauplatz der Einweisung an diesem Dienstag dient. 250 Leute sind, wenn sie beisammen sitzen, eine ganze Menge, hier aber nur der Anfang einer Karawane von rund 10000 Freiwilligen, die bis Mai immer wieder Flughafen spielen werden, also jene Vorgänge erdulden müssen, die der normale Fluggast verabscheut: Anstehen am Check-In-Schalter, Koffer herumwuchten, Anstehen an der Sicherheitskontrolle, Warten am Gate.

10 000 kommen zum Zuge, 20 000 haben sich beworben. Warum tun sie das? Es ist natürlich die Faszination Flughafen, das Gefühl, ganz am Anfang dabei gewesen zu sein.

„Ich möchte meinen Enkeln davon später erzählen können“, sagt ein Student, eine Gruppe von Frauen wird direkter: „Wir wollten mal sehen, von wo wir im Herbst nach Fuerte fliegen“, kichert die Wortführerin. Es sind Rentner dabei, aber auch Arbeitnehmer, die sich eigens einen Tag frei genommen haben – also eine ganz normale Fluggastversammlung ohne Geschäftsleute. Und ohne Kinder, denn hier auf der Baustelle gilt eine strikte Altersuntergrenze von 18 Jahren.

{Das strenge, aber freundliche Regiment der Rotwesten übernimmt}

Der Mann, der sich den Plan des Probebetriebs ausgedacht hat, heißt Christoph Aumüller, ist 24 Jahre alt und kommt aus Österreich. Die rote Weste kennzeichnet ihn als Mitarbeiter eines Unternehmens mit dem kryptischen Namen ORAT. Das steht, so erläutert er, für „Operational Readyness and Airport Transfer“, hat also mit der Vorbereitung der Betriebsfähigkeit und dem Flughafenumzug zu tun. Gelernt hat er dieses Handwerk im Rahmen eines Studiums – seine Diplomarbeit befasste sich exakt mit diesem Thema. Nachdem er das selbst erarbeitete Programm zunächst im indischen Delhi ausprobierte, darf er es nun in Berlin noch einmal in die Praxis umsetzen. „Wir werden operative Prozesse in Zusammenarbeit mit den Endnutzern und den Kunden üben“, droht er, aber mit so heimeligem Wiener Akzent, dass sich niemand fürchten muss.

Das strenge, aber freundliche Regiment der Rotwesten übernimmt. Es werden echte Bordkarten mit weniger echten Namen verteilt, dann zum Teil gleich wieder eingesammelt. „Sie sind die Transfer-Gruppe“, heißt es für alle im Planquadrat vorn links, sie sind also fortan jene Fluggastdarsteller, die nicht mit dicken Koffern auf die Frauen vom Check-In losgelassen werden, sondern irgendwo in Hintergrund so tun müssen, als seien sie eben aus Rio de Janeiro eingeflogen. Verspätet und ziemlich knapp beim Umsteigen nach Budapest und München.

Rio, das weiß der erfahrene Passagier, ist Non-Schengen, setzt also bei der Einreise eine Passkontrolle voraus. Die Grenzschützer, die in den beiden schon fertigen Kabinen Platz genommen haben, sind echt, und sie bemühen sich auch um ein wenig albernen Small-Talk, „wie war denn das Wetter in Rio?“ Das tun sie weniger aus Jux, sondern vor allem, um mal zu testen, wie die Kommunikation nach draußen so funktioniert; sie verstehen uns gut, wir sie weniger, was aber auch an den lebhaften Gesprächen in der Warteschlange liegt, die nicht unbedingt praxistypisch sind. Ausweise werden kontrolliert, Fingerabdruckscanner ausprobiert, allerdings auf höchst freiwilliger Basis. „Sie können dort Ihre Ausweise zeigen“, hatte Aumüller angekündigt, „aber wenn Sie es nicht tun, fragt niemand, warum.“

{Nach dem Mittagessen das volle Programm. Nach Mallorca!}

Im Juni wird sich herausstellen, ob der Flughafen auch den echten Praxistest besteht.
Im Juni wird sich herausstellen, ob der Flughafen auch den echten Praxistest besteht.

© dpa

So entspannt und heiter wie hier geht es im normalen Flugbetrieb nicht zu. Niemand hat es eilig, alle wissen einen Helfer in ihrer Nähe, und so vollzieht sich am ersten Tag eine Art betreutes Reisen, das in dieser Form allenfalls die Mitarbeiter des Flughafens herausfordert. München und Budapest werden nach der Passkontrolle wieder zusammengefügt und treppauf, treppab, durch die Gegend geschoben – Rolltreppen und Rollbänder, erst recht die zahlreichen Aufzüge, funktionieren noch nicht. Endlich, sagen einige erschöpft, hat Berlin einen richtig großen Flughafen mit richtig langen Wegen, dann ist das Gate erreicht. Mittendrin die Sicherheitskontrolle, immer nur ein Scanner ist in Betrieb, alles geht seinen gemessenen Gang.

Eine Frau vom Bodenpersonal erprobt mit wunderbar girlandenreicher Stimme eine Ansage, man versteht jedes Wort, das Flugzeug ist zum Einsteigen bereit, die Bordkartenabschnitte werden abgerissen, fertig. Das Einsteigen ins Flugzeug bleibt späteren Probe-Gruppen vorbehalten, weil hier schlicht noch keine da Flugzeuge sind; nicht einmal mit Bussen kann am ersten Tag geübt werden, weil an den Ausgängen noch zu viel Zeug herumliegt, es ist halt eine sehr große Baustelle.

Auch drinnen sieht es exakt so aus, wie man sich einen Großflughafen vier Monate vor der Eröffnung vorstellt. Es riecht nach Staub und Sägemehl und Klebstoff, Männer in schmutziger Arbeitskleidung klopfen routiniert auf Marmorplatten herum, und alles, was zur Betriebsaufnahme besonders schön funkeln soll, ist bedeckt, eingepackt, verklebt.

Nach dem Mittagessen das volle Programm. Nach Mallorca! Wir haben bei Condor gebucht, die Abfertigungsschalter sind in der lichten, übersichtlichen Halle schnell gefunden, aber erst einmal werden Koffer verteilt. Zwei für die erste, einen für die zweite Bordkarte, damit eine praxisgerechte Belastung erreicht wird. Die Koffer, weiß der Teufel, wer sie wo beschafft hat, sehen aus, als hätten sie mehrere Monate in der Unterführung am Bahnhof Schönefeld gelegen. Aber es geht hier ja nicht ums Renommieren mit Edelgepäck, sondern um einen Belastungstest, und der scheint – jedenfalls für das Laienauge – zu funktionieren.

Koffer um Koffer verschwindet glatt in der komplizierten Transportbandmechanik, die Bordkarten schauen plausibel aus, und später am Gate wird sich zeigen, dass sie auch dort reibungslos akzeptiert werden. Dummerweise bleiben die Passagiere Jens Lehmann und Patrick Prestel verloren, das hätte im echten Betrieb Ärger gegeben. Allerdings hätte es im echten Betrieb auch Passagiere dieses Namens gegeben statt fiktiver Bordkarten.

Genug für heute. Christoph Aumüller lehnt am Gate und wirkt relativ entspannt. „Ja“ sagt er entschlossen auf die Frage, ob denn alles gut gelaufen sei, „war okay, war im Rahmen.“ Doch nun werden erst einmal die Rückmeldungen der Komparsen ausgewertet, dann wird man sehen. Die gute Nachricht am Ende: So, wie der erste Tag gelaufen ist, meint Aumüller, steht der planmäßigen Eröffnung am 3. Juni nichts im Weg.

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