zum Hauptinhalt
Das Duschmobil für obdachlose Frauen.

© Kai-Uwe Heinrich

Erstes Duschmobil für obdachlose Frauen in Deutschland: „Wir geben den Frauen wieder ein Stück Würde“

In Berlin fährt das deutschlandweit erste Duschmobil für obdachlose Frauen. Es ist ein Erfolg, aber dem Projekt fehlt für 2020 das Geld.

Die Planken des Stegs sind verwittert und haben einen Stich ins Graue, aber sie führen direkt zu einem wunderschönen, blauen See, flankiert von einer ebenso wunderschönen Uferlandschaft. Wahrscheinlich gibt es in diesem Moment in kilometerweiter Umgebung keinen Toilettendeckel, der so romantisch und idyllisch bemalt ist wie der in jenem Transporter, der in Wedding vor einem grauen Häuserblock steht.

Der Toilettendeckel fügt sich optimal ein, als Teil eines Ensembles, das eine Atmosphäre des Wohlbefinden ausstrahlt. Neben der Toilette gibt es eine Dusche mit viel Platz, durch ein großes Dachfenster fällt Tageslicht, die Wände sind in einer Mischung aus meeres- und himmelblau bemalt, ein weicher Sessel steht am Eingang zur Dusche. An den Stufen, die in den Innenraum des Transporters führen, steht ein Herz neben der Begrüßung: „Herzlich willkommen“.

Herzlich willkommen im ersten Duschmobil in Deutschland für obdachlose Frauen. Die Zielgruppe sitzt ein paar Meter weiter an einem langen Esstisch oder liegt auf einem Sofa und kritzelt Blätter voll. Das Mobil steht direkt vor „Evas Haltestelle“, der Notunterkunft für obdachlose Frauen, betrieben vom Sozialdienst katholischer Frauen in Berlin (SKF).

Der SKF ist auch Träger des Duschmobils, und der Transporter steht hier, weil ein paar Minuten später Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) symbolisch dem SKF 40.000 Euro übergeben wird. Damit sind zumindest bis Jahresende die Betriebskosten für das Duschmobil finanziert.

Betroffene müssen Scheu und Misstrauen überwinden

Seit gut drei Wochen ist das Mobil jetzt an Orten unterwegs, die häufig von Obdachlosen genutzt werden, am Leopoldplatz oder am Hansaplatz, im Schillerpark oder im Tiergarten. Der Unternehmer Matthias Müller hat den Transporter zur rollenden Dusche umgebaut, jetzt haben die SKF-Mitarbeiterinnen erste Erfahrungen gemacht. Es sind immer nur Frauen an Bord, eine am Steuer, die andere unterstützt.

Nur Frauen, das ist wichtig. Es geht um Vertrauen, es geht darum, dass die Betroffenen ihre Scheu überwinden, ihr Misstrauen, ihre Angst vor dem Unbekannten. „Diese Frauen haben ja nicht nur gute Erfahrungen mit Männern gemacht“, sagt Dagmar Löttgen, die Vorsitzende des SKF. „Und sie sind auch Freigeister, sie lassen sich ungern gängeln oder sich etwas vorschreiben.“ Und Männer schrecken da ohnehin ab.

[Mehr Informationen über die Arbeit und mögliche Unterstützung des SKF finden Sie auf https://skf-berlin.de/]

Also müssen die SKF-Mitarbeiterinnen erstmal behutsam vorgehen. Sie stellen den Frauen das Duschmobil vor, sie erzählen ihnen, dass sie 90 Minuten Zeit haben, sich zu duschen, sich einzucremen, sich hinzusetzen, einen Kaffee zu trinken, etwas zu essen, dass sie einfach 90 Minuten Zeit haben, ihrem tristen Alltag für ein paar Minuten zu entfliehen. „Es geht auch darum, den Frauen ihre Würde zu geben“, sagt Rita Brandt.

Tägliche Versorgung ist derzeit nicht finanzierbar

Obdachlose Frauen leiden unauffälliger als Männer, sie versuchen so lange wie möglich, ihre Not zu verbergen. Den Frauen, die an diesem Tag in „Evas Haltestelle“ am Tisch sitzen oder auf dem Sofa liegen, denen sieht man ihre Obdachlosigkeit nicht an. Würde, das ist auch ein Stichwort, wenn es um die Schritte hin zu dieser Welt geht, in der man sich fallen lassen kann, geht. „Es gibt Frauen, die gehen nicht so gerne vor anderen Menschen in dieses Duschmobil“, sagt Dagmar Löttgen. Der Weg zum Transporter ist ja wie ein Schild um den Hals: „Ich habe keine Wohnung.“

Deshalb sagt die Sozialassistentin Lina Freund, die mit ihrer Kollegin die Hotspots abfährt, „dass man auch einige Hürden überwinden muss, bevor die Frauen zu uns kommen“. Aber wenn sie mal im Duschmobil waren, diese Frauen, dann sind sie „hochzufrieden“ (Freund). Auch eine Frau, die in „Eva Haltestelle“ sitzt, Bauzeichnerin, bevor sie obdachlos wurde, lobt den Transporter.

Der ist im Moment an drei Tagen unterwegs, für mehr reicht das Geld nicht. Ziel sind sieben Tage, aber dafür sind mehr Mittel nötig. Rund 140 000 Euro, sagt Rita Brandt, die Geschäftsführerin des SKF, seien im Jahr nötig, um solch einen Sieben-Tages-Betrieb gewährleisten zu können. Nur: Das Geld ist derzeit nicht da. „Wir sind in Gesprächen mit der Sozial-Senatsverwaltung“, sagt Rita Brandt. „Aber wir sind auch jeden Fall auch auf Spenden angewiesen.“

Noch ist nichts gesichert, noch laufen Gespräche, noch lebt vieles vom Prinzip Hoffnung. Aber in einem Punkt ist die Geschäftsführerin felsenfest: „Wir ziehen das durch, egal, was kommt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false