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Achtung, Betreuungsbedarf. Hoffentlich ist eine Fachkraft anwesend.

© Kitty Kleist-Heinrich

Erziehermangel in Kitas in Berlin: Senat zahlt Millionen für nicht vorhandenes Personal

Berliner Elternvertreter werfen dem Senat vor, die Kitas nicht ausreichend zu kontrollieren. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass in vielen Einrichtungen weniger Personal vorhanden ist als vorgeschrieben.

Empörung beim Landeselternrat hat der aktuelle Bericht des Landesrechnungshofes ausgelöst. Der Senatsjugendverwaltung werfen die Elternvertreter schwere Versäumnisse vor: Die Behörde kontrolliere die Berliner Kitas nicht ausreichend und zahle den Trägern Millionen für Personal, das gar nicht vorhanden sei. Die Elternvertreter fordern, mehr Mitarbeiter bei der Kita-Aufsicht zu beschäftigen. Ab August gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr – nach Ansicht des Elternrats aber fehlen so viele Erzieher, dass das Land nicht ausreichend auf die neue Situation vorbereitet ist.

Ergebnis einer Stichprobe: In 111 Einrichtungen fehlen 163 Erzieher

Dem Bericht des Rechnungshofs zufolge wird in vielen Kitas die gesetzlich vorgeschriebene Personalausstattung nicht erreicht. In 111 stichprobenhaft überprüften Einrichtungen fehlten 163 Erzieher. Die Senatsverwaltung überprüfe zudem die Angaben der Kita-Träger über Stellenumfang und Qualifikation des Personals nicht und ergreife selbst dann keine Maßnahmen, wenn bekannt ist, dass der Erzieherschlüssel seit mehreren Jahren unterschritten werde. Es werde außerdem hingenommen, dass ungelernte Kräfte wie etwa Praktikanten auf den Fachkräfteschlüssel angerechnet werden. Der Senat habe hochgerechnet in einem Jahr rund sechs Millionen Euro an die Kita-Träger für Personal gezahlt, obwohl die entsprechenden Kräfte fehlten.

Die Jugendverwaltung habe zwar Verbesserungsbedarf eingeräumt, schiebe die Verantwortung, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten, aber auf die Träger, kritisiert der Rechnungshof. Die Jugendverwaltung zweifelt die Methode des Rechnungshofes an: Stichtagserhebungen seien nicht geeignet, Rückschlüsse auf das Gesamtsystem zu ziehen. Weiter äußerte sich die Verwaltung bis Redaktionsschluss nicht.

In der Berliner Senatsverwaltung gibt es dreizehn Vollstellen für 130 000 Kitakinder

Der Rechnungshofbericht bestätige den Eindruck, den viele Eltern seit langem haben, sagt Norman Heise, der im Landeselternausschuss für den Bereich Kindertagesstätten zuständig ist. „Sie kommen morgens in die Kita und sehen, dass da eine Erzieherin mit zwölf Kindern sitzt.“ Überrascht habe die Eltern dennoch, dass die Träger so gut wie gar nicht kontrolliert werden. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt Heise. In der Senatsverwaltung gebe es derzeit in der Abteilung Kita-Aufsicht nur dreizehn Vollzeitstellen – für mehr als 130 000 Kitakinder in mehr als 2200 Einrichtungen. „Die sind hauptsächlich damit beschäftigt, die bauliche Eignung von neuen Kitas abzunehmen. Für Elternbeschwerden oder weitere Kontrollen kann die Zeit gar nicht reichen“, sagt Heise.

Angesichts des kommenden Rechtsanspruchs befürchtet Heise, „dass die Gruppen einfach vollgestopft werden“. Den Eltern rät er, die Kita-Leitung anzusprechen, wenn sie den Eindruck haben, dass nicht genügend Personal vorhanden sei. Wenn die Einrichtung nicht reagiere, sollten sich die Familien an die bezirklichen Elternausschüsse wenden.

An vielen Grundschulhorten fehlten ebenfalls Erzieher. Dem Landeselternausschuss seien Fälle bekannt, in denen die Ausstattung um dreißig Prozent unterschritten werde, etwa an der Buschgrabenschule in Zehlendorf. Die Eltern haben daraufhin einen offenen Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) geschrieben. „Seit Februar sind fünf von fünfzehn Erziehern ausgefallen. Ersatz wurde nicht beschafft“, sagt Landeselternsprecherin Lieselotte Stockhausen-Döring.

Betreuungsschlüssel von 1:5 bei Unter-Zweijährigen

Bei der Berechnung des Personalschlüssels in Kindertagesstätten werden in Berlin Faktoren wie Alter der Kinder, soziale Lage, Förderbedarf und die Länge der Betreuung einbezogen.

Für drei- bis sechsjährige Kinder in Ganztagsbetreuung gilt etwa, dass eine Erzieherin auf neun Kinder kommen muss. Bei Zwei- bis Dreijährigen ist der Schlüssel niedriger, dort soll eine Fachkraft für sechs Kinder zuständig sein. Bei Unter-Zweijährigen gilt ein Betreuungsschlüssel von 1:5. An Grundschulen soll eine Horterzieherin in Vollzeit 22 Kinder mit Halbtagsanspruch betreuen

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