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Berlin: „Es blutet mir das Herz“

Der frühere Daimler-Vorstandschef Edzard Reuter über die Verkaufspläne des Konzerns

Ohne Sie hätte es die Daimler-City nicht gegeben. Als damaliger Vorstandschef von Daimler-Benz nahmen Sie den Konzern in die Pflicht und investierten am Potsdamer Platz zwei Milliarden Euro. Wie reagieren Sie, wenn Sie hören, dass der Konzern erwägt, dort Grundstücke zu verkaufen?

Natürlich blutet mir das Herz. Seit zwei Jahren habe ich von den Verkaufsgerüchten gehört. Aber ich habe auch Respekt vor den betriebswirtschaftlichen Überlegungen von Daimler-Chrysler. Was mich tröstet, ist die Tatsache, dass der Potsdamer Platz inzwischen seine Rolle, seine Aufgabe in Berlin ausfüllt. Und zwar unabhängig davon, wem das Grundstück letztlich gehört.

Wird sich der Potsdamer Platz durch einen Immobilienverkauf ändern?

Nein. Der Potsdamer Platz hat sich längst etabliert und ist ein rundum lebensfähiges Gebilde geworden.

Wie wichtig ist der Potsdamer Platz für Berlin?

Er ist die Mitte Berlins. Einiges muss aber noch getan werden: Der Leipziger Platz ist noch nicht vollendet. Der Potsdamer Platz bleibt ein Symbol für die Lebenskraft der deutschen Hauptstadt.

Als Sie 1989 die Idee hatten, am Potsdamer Platz zu bauen, war der Fall der Mauer noch nicht abzusehen. Welche Visionen hatten Sie damals?

In der Mitte Berlins, die vor 16 Jahren eine Brache war, sollte neues Leben entstehen. Vor der Wiedervereinigung sollte es ein Symbol für die Aufbruchstimmung und ein Symbol für die damals beiden deutschen Staaten sein. Nach der Wiedervereinigung sollte der Potsdamer Platz dazu beitragen, dass Berlin als deutsche Hauptstadt mit einer neuen Mitte wieder diese Rolle übernehmen kann. Und das ist ja danach auch passiert.

W ährend der Grundsteinlegung der Debis-Zentrale 1994 stiefelten Sie zwischen Akrobaten und Feuerschluckern in die neun Meter tiefe Grube und versprachen ein „echtes, humanes, urbanes Stadtquartier". Ist es das geworden?

Der Potsdamer Platz ist ein urbanes Quartier, in dem sich die Menschen wohl fühlen, nicht nur Touristen, sondern auch die Berliner. Das macht die Mischung aus Wohnen, Einkaufsleben und Entertainment – nicht zuletzt dank der Planung von Renzo Piano und anderen Architekten. Ich gehe selbst oft und gerne dahin.

Mit dem Potsdamer Platz verbinden sich Aufbruchgefühle. Ist diese Chance jetzt durch die Verkaufspläne von Daimler-Chrysler vertan?

Das Quartier Potsdamer Platz gedeiht. Zur Motivation des Konzerns äußere ich mich nicht, weil ich das nicht beurteilen kann.

Grüne und PDS wollten Ihnen 1998 nicht die Ehrenbürgerwürde des Landes Berlins verleihen, weil Sie mit dem Kauf des landeseigenen Grundstücks nur unternehmerische Interessen verfolgt hätten. Hat sich die Befürchtung von damals jetzt bewahrheitet?

Ich wollte ein Investitionsobjekt auf die Beine stellen, welches das Vertrauen in die Zukunft der Stadt und letztlich auch des gesamten Landes zum Ausdruck bringen sollte. Als Unternehmer und Vorstandschef musste ich auch im Sinne der Aktionäre verantwortlich handeln. Natürlich war das kein Investitionsprojekt, das in den Sand gesetzt werden sollte. Es sollte sich auch wirtschaftlich rentieren. Aber: Solche Projekte hätte man auch woanders aufbauen können. Wir haben uns damals aber für Berlin entschieden, weil das eine Signalwirkung haben sollte.

Noch am Tag ihres beruflichen Ausscheidens haben Sie an die „andere Verantwortung“ von Konzernen appelliert. Es gehe nicht nur um Profit, sondern um Verantwortung für das Gemeinwesen. Agieren Konzerne heute anders?

Konzerninteressen ändern sich im Zuge der Globalisierung. Eine Verkaufsentscheidung steht mit früheren Überlegungen in keinem Zusammenhang mehr.

Das Gespräch führte Sabine Beikler

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