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Es brennt weiter: Brandstiftungen sind das aktuelle Wahlkampfthema

Auch in der Nacht zum Sonnabend wurden überall in der Stadt Autos und Motorräder angesteckt. Bundespolitiker geben dem Senat nun Ratschläge für die Kriminalitätsbekämpfung.

Wieder sind Autos in Berlin in Brand gesetzt worden. Am frühen Samstagmorgen bemerkte ein Anwohner in der Neustrelitzer Straße in Lichtenberg einen brennenden VW Passat. Der Polizei zufolge soll sich in der Nähe ein etwa 25-jähriger Mann aufgehalten haben, der den Anwohner noch gefragt haben soll, was passiert sei. Der Unbekannte habe dann aber schnell den Ort des Geschehens verlassen. Er soll 1,75 Meter groß und schlank sein und kurze Haare haben. Zwei Stunden später, gegen 2 Uhr 45, sah in der Venusstraße in Altglienicke ein Passant ein brennendes Motorrad und rief die Feuerwehr. In der Friedrichshainer Liebigstraße rief ein Passant gegen 3 Uhr ebenfalls die Polizei, weil Rauch aus einem BMW aufstieg. In der nahen Zellestraße brannte es eine halbe Stunde später, Polizisten konnten die noch kleinen Flammen auf dem Gehweg aber löschen. Dadurch sei verhindert worden, dass ein Motorrad in Flammen aufging, hieß es.

Zu den Brandstiftungen in der Liebig- und Zellestraße ermittelt der Staatsschutz, ein politisches Motiv könnte wohl wegen der Nähe zu dem im Februar geräumten Hausprojekt Liebigstraße 14 infrage kommen. Der Kiez in Friedrichshain gilt als symbolträchtig für die linke Szene der Stadt. In allen anderen Fällen haben Brandkommissariate die Ermittlungen übernommen.

Seit CDU und FDP den massiven Anstieg der Autobrände zum Wahlkampfthema gemacht haben, werden auch sie angegangen: CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel erhielt laut Polizei am Samstag ein Schreiben, in dem ihm Unbekannte androhen, man werde ihm wegen „der geistigen Brandstiftung“ durch die Plakate eine Briefbombe schicken. Auch Wahlplakate wurden am frühen Sonnabend beschädigt. Eine Funkstreife bemerkte gegen 1.15 Uhr in der Wichertstraße in Prenzlauer Berg ein brennendes Wahlplakat der FDP. Einige Meter entfernt wurden die Polizisten auf zwei Personen aufmerksam, die ein Feuerzeug an ein weiteres Plakat hielten. Sie nahmen den 20-Jährigen und dessen 17 Jahre alte Begleiterin vorläufig fest. Die beiden waren betrunken und wurden erkennungsdienstlich behandelt. Drei junge Frauen zündeten gegen 1.25 Uhr in Spandau ein Wahlplakat der rechtsextremen NPD an. Dabei wurden sie von einer Zivilstreife beobachtet. Die Beamten nahmen die Personalien der 18- bis 21-Jährigen auf. In beiden Fällen wird wegen Sachbeschädigung ermittelt.

CDU-Spitzenkandidat sieht in der Brandserie einen Beleg für das politische Versagen des Senats. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Die Brandserie dauert an – die Politik streitet weiter über Ursachen und Strategien. Auch Bundespolitiker beteiligen sich an der Debatte. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte am Sonnabend scharfes Durchgreifen. Der Chef der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, hält angesichts der Anschlagsserie eine stärkere Polizeipräsenz für notwendig. „Erstens brauchen wir mehr Polizei auf der Straße“, sagte Gysi in Berlin. Zweitens bräuchten Jugendliche mehr Perspektiven. „Das sind junge frustrierte Leute“, urteilte er über die mutmaßlichen Brandstifter. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sieht neben der Polizei auch die Berliner Ordnungsämter in der Pflicht. Deren Mitarbeiter könnten zu nächtlichen Patrouillen herangezogen werden, sagte er der „Bild am Sonntag“. Von der CSU hieß es, Berlin habe in den vergangenen Jahren viel Personal bei der Polizei abgebaut. Nun müsse dies mit den Beschäftigten anderer Behörden ausgeglichen werden.

So argumentiert auch der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel bei seinen Wahlkampfauftritten. Am Rande eines Besuchs an einem CDU-Infostand auf der Berliner Straße in Wilmersdorf wiederholte Henkel seine Fundamentalkritik am Senat.  Es gehöre doch alles zusammen – der Abbau von 4000 Stellen bei der Polizei in zehn rot-roten Jahren, brennende Autos seit zweieinhalb Jahren, vom Senat „verharmlost“, Überfälle in der U-Bahn, die Posse um die Führung der Polizei, die ohne einen Präsidenten ist. Das alles sei Folge politischen Versagens. Er bleibe dabei: Der Senat habe die Polizei „absolut“ kaputtgespart.

Indes wurde Henkel beim Straßenwahlkampf in Wilmersdorf so wenig auf brennende Autos angesprochen wie die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast in Spandau. Umgeben von 50, 60 Zuhörern und den Wahlkämpfern von SPD, CDU und FDP präsentierte Künast ihren grünen Masterplan für Berlin. Darin würde ein grün geführter Senat Vorbild bei der energetischen Gebäudesanierung – „Wir heizen doch den Himmel über Berlin!“ –, und die von den Grünen sanierte Charité würde nicht bloß Zentrum der Gesundheitswirtschaft, sondern auch Motor der Medizinwirtschaft und als solcher „Andockstelle“ für ungelernte Arbeitskräfte – viel besser als jeder rot-rote öffentliche Beschäftigungssektor. Über brennende Autos wollte das Publikum nichts hören und die grüne Frontfrau nichts sagen. Einzig Tempo 30 bewegte einen älteren Dreitagebartträger so sehr, dass er den Künast’schen Monolog unterbrach und ganz einfach unterstellte, Tempo 30 in Berlin werde an der weltweiten Kohlendioxidbelastung nicht viel ändern. Die Idee sei ebenso professionell wie Künast Megafon. Zumindest das traf zu – der Handlautsprecher der Kandidatin klang, als laufe ein altmodischer Kassettenrekorder mit einer tausendmal gehörten Gorleben-Reportage aus den 70er Jahren.

Die hohe Polizeipräsenz in den vergangenen Nacht führte indes zur Festnahme eines mutmaßlichen Autodiebes. Der 26-jährige Berliner hatte sich gegen 4 Uhr am Samstagmorgen an einem Opel im Kreuzberger Erkelenzdamm zu schaffen gemacht. Seine zwei Begleiter saßen schon in dem aufgebrochenen Wagen, als der noch außen am Auto hantierende Mann von einer Streife überwältigt wurde. Die beiden anderen Männer konnten fliehen, der Autodieb wurde vorläufig festgenommen.

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