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Berlin: Es fehlt ein Programm

Im Jahr 2002 zahlte Berlin 2,2 Milliarden Euro Zinsen, mehr als doppelt so viel wie der Durchschnitt der Länder und Gemeinden, und wegen der hohen Neuverschuldung steigen die Zinsen Jahr für Jahr um 200 bis 250 Millionen Euro. Allein der jährliche Zuwachs der Zinsausgaben entspricht den laufenden Kosten einer Universität im Jahr, und in zehn Jahren wird es dann jährlich der Gegenwert von zehn Universitäten sein.

Im Jahr 2002 zahlte Berlin 2,2 Milliarden Euro Zinsen, mehr als doppelt so viel wie der Durchschnitt der Länder und Gemeinden, und wegen der hohen Neuverschuldung steigen die Zinsen Jahr für Jahr um 200 bis 250 Millionen Euro. Allein der jährliche Zuwachs der Zinsausgaben entspricht den laufenden Kosten einer Universität im Jahr, und in zehn Jahren wird es dann jährlich der Gegenwert von zehn Universitäten sein.

Berlin befindet sich wegen seiner übermäßigen Verschuldung in einer extremen Haushaltsnotlage und wird deshalb vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Bundeshilfen zur Beseitigung der Haushaltsnotlage klagen. Der Bund bestreitet, dass die Haushaltsnotlage Berlins extrem und unverschuldet ist. Er argumentiert, auch andere Bundesländer hätten eine hohe Verschuldung und die zu hohen Ausgaben Berlins seit 1991 seien nicht unverschuldet. Wenn Berlin mit der Klage Erfolg hat, hat es Anspruch auf Schuldendiensthilfen in einem Umfang, der ausreicht, um Berlin aus der Notlage zu befreien. Zulässig sind die Hilfen aber nur, wenn Berlin belegt, dass es nach der Schuldendiensthilfe mit seinem Geld auskommt und seine Ausgabenvorsprünge abgebaut hat.

Wie Hamburg und Bremen hat Berlin auf lange Sicht Mehreinnahmen gegenüber anderen Ländern und Gemeinden nur aus der besonderen Einwohnerwertung im Länderfinanzausgleich, dem Stadtstaatenprivileg. Die heutigen Mehreinnahmen aus dem bundesdeutschen Solidarpakt hingegen sind für alle ostdeutschen Länder und Berlin gesetzlich festgeschrieben und werden stufenweise bis zum Jahr 2019 abgebaut. Bis dahin sind sie belegt durch Berlins Mehrausgaben für Wohnungsbauförderung und Personal.

Als Stadtstaat hat Berlin wie Hamburg und Bremen strukturell bedingte dauerhafte Mehrausgaben. Allein die Mehrausgaben für Justiz, Polizei und Sozialhilfeempfänger fressen Berlins Mehreinnahmen aus dem Stadtstaatenprivileg vollständig auf. Bei allen übrigen Ausgabenbereichen hat Berlin deshalb per saldo und dauerhaft keine größeren Spielräume als andere Länder und Gemeinden. Wo sich Berlin Mehrausgaben leistet, müssen sie durch Minderausgaben an anderer Stelle ausgeglichen werden.

Für Kitas, Schulen, Hochschulen und Kultur gibt Berlin darüber hinaus jährlich weitere 1,3 Milliarden Euro mehr aus als der Länderdurchschnitt. Diese Ausgaben sind nicht durch entsprechende Mehreinnahmen abgedeckt. Im Sinne einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft müssen sie deshalb entweder auf den Umfang anderer Länder zurückgeführt oder durch entsprechende Minderausgaben an anderer Stelle – z.B. durch niedrigere Sozialhilfeausgaben in Berlin als im übrigen Deutschland – ausgeglichen werden.

Zusammen mit der Klage muss Berlin ein Sanierungsprogramm vorlegen, wie in Berlin das Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben wieder erreicht werden soll. Dabei muss das Land offen legen, wie politisch erwünschte Mehrausstattungen dauerhaft finanziert, oder wie und bis wann sie zurückgeführt werden. Die dazu notwendige Diskussion steht noch aus.

Thilo Sarrazin

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