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Berlin: Es geht noch nasser

Gestern fielen im Süden der Stadt 100 Liter Regen pro Quadratmeter – 1948 waren es noch 25 Liter mehr

Von Jörn Hasselmann

Heute Nachmittag soll die Sonne rauskommen, Tief Ilse schwächt sich ab. Diese Prognose der Meteorologen mag man kaum noch glauben nach dem zweitägigen, sintflutartigen Novemberwetter-Dauerregen. Über 100 Liter pro Quadratmeter prasselten im Süden der Stadt innerhalb von 24 Stunden herab, die Feuerwehr rückte von Montagmorgen bis Dienstagmittag zu 170 Wettereinsätzen aus. Im Detail: In Schönefeld waren es von 8 Uhr am Montag bis 8 Uhr am Dienstag 105,6 Liter, der Berliner Rekord fiel also wie so oft im Süden. In Buch waren es „nur“ 54,7 Liter. In Dahlem, der bekanntesten Station, waren es 62,6 Liter. Noch dramatischer die Nord-Süd-Unterschiede in Brandenburg: In Neuruppin 19 Liter, in Bad Liebenwerda waren es fünfmal so viel: 104,2 Liter.

Das klingt rekordverdächtig, ist es aber nach Auskunft der Meteorologen nicht. So waren es am 13. August 1948, also genau vor 54 Jahren, in Dahlem satte 125 Liter in 24 Stunden. Auch damals fielen die Regenmassen aus einem so genannten „5 B“-Tief. So bezeichnen die Meteorologen die besonders nassen Tiefs, die sich in Oberitalien entwickeln und dann östlich an den Alpen vorbei nordostwärts zu uns ziehen. Auch das Oderhochwasser 1997 und die 1948er Sturzbäche waren die Folge der „5 B“-Wetterlage, sagte Mieke Windmüller vom privaten Wetterdienst Meteomedia. Aber auch dieser August wird in die Annalen eingehen: In den ersten 13 Tagen fiel schon das Zweieinhalbfache des üblichen Monatsdurchschnitts von 65 Litern herab.

Auf jeden Fall war der Regen zu stark für die Berliner Klärwerke. Erstmals seit langem schafften sie die Fluten nicht mehr; 11 000 Kubikmeter Abwasser flossen in der Nacht zu Dienstag ungeklärt über die so genannten Notüberläufe in Flüsse und Kanäle ab, weil auch die vorhandenen Regenbecken nicht mehr ausreichten. Besonders problematisch sei das aber nicht, weil die Haushalts-Abwässer „ultrastark“ verdünnt wurden, wie Stephan Natz von den Wasserbetrieben sagte. Die Berliner Klärwerke schaffen nach Natz’ Angaben maximal 1,18 Millionen Kubikmeter, an „normalen“, also eher trockenen Tagen, reinigen die Klärwerke etwa die halbe Menge.

Was nicht jeder weiß: In der Berliner Innenstadt gibt es keine getrennten Rohre für Regenwasser und Abwässer. Also fließt es durch ein gemeinsames System den Klärwerken zu. Ein großes Fischsterben in Spree und Landwehrkanal durch die eingeleiteten Fäkalien ist aber nicht zu erwarten, heißt es bei den Wasserbetrieben. Das Fischsterben setzt eher ein, wenn in einem trocken-heißen Sommer plötzlich ein kräftiger Regenguss niederprasselt, den gesamten Straßendreck, von Hundekot bis Reifenabrieb, in einem Rutsch vom Pflaster wäscht und dann in den Landwehrkanal und die Spree schwemmt. In mehreren Sommern in den 90er Jahren hatte ein derartiges Massenfischsterben Schlagzeilen verursacht.

Doch einen trocken-heißen Sommer wird es zumindest in diesem Jahr wohl nicht mehr geben. Immerhin soll es heute, wie gesagt, deutlich freundlicher werden. Mieke Windmüller von Meteomedia prognostizierte gestern, dass am Nachmittag sogar die Sonne mal zu sehen sein könnte. Und der Regen? Fällt höchstens am Vormittag noch tröpfchenweise. Danach soll es mit dem Sommer wieder bergauf gehen.

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