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Berlin: Es leuchten die Sterne

Berlin aus dem Blickwinkel der wichtigsten Restaurantführer: Zehn Michelin-Auszeichnungen gab es für Berlin – und einen klaren Drang zur kulinarischen Moderne

Ist Berlin auf dem Weg zur Gourmet-Hauptstadt in diesem Jahr vorangekommen? Im Selbstverständnis der durchweg äußerst selbstbewussten Küchenchefs ganz sicher; aus dem Blickwinkel der wichtigsten Gourmet-Führer immerhin ein wenig. Zehn Michelin-Sterne für Berlin, davon zwei neue; elf Michelin-Sterne für Hamburg, davon ein neuer – das läuft auf eine Art Patt hinaus, zumal man wohl argwöhnen muss, dass das eine oder andere Hamburger Restaurant keinen Stern hätte, läge es in Berlin.

Der konkurrierende, als einziger ähnlich ernst zu nehmende Restaurantführer Gault-Millau gibt Berlin hingegen den Vorzug: Drei Hauptstadtrestaurants (First Floor, Hugos, 44) werden jetzt mit 18 von 20 Punkten bewertet, in Hamburg nur eins. Einig sind sich die Führer wiederum in der Einschätzung, dass beiden Städten die absolute kulinarische Spitze fehlt. Der Michelin rückt weder hier noch dort zwei oder sogar drei Sterne heraus, und der Gault-Millau hat in beiden Städten keinen Küchenchef gefunden, der 19 oder die Höchstwertung von 19,5 Punkten verdient hätte. Abstiege gab es kaum: Der Michelin hat den Stern für das – derzeit geschlossene – „Vivo“ nach dem Abgang von Renee Conrad gestrichen, und der Gault-Millau stufte „Margaux“ und „Ana e Bruno“ von 17 auf 16 Punkte herab.

Trends sind dennoch ablesbar. Vor allem an der Person des Avantgardisten Tim Raue (Restaurant 44, Swissotel), der nicht nur vom Gault-Millau zum Koch des Jahres ernannt wurde, sondern endlich auch den lang überfälligen Michelin-Stern bekommen hat. Den eroberte auch Thomas Kellermann von Vitrum im Ritz-Carlton (17/20), der zwar auf klassischem Boden kocht, aber dabei ebenfalls sehr eigene Wege geht, die nicht ins Muster des typischen Sterne-Restaurants passen. Man wird also vermuten dürfen, dass sich auch beim Michelin auf lange Sicht die Modernisierer durchsetzen. Ein weiteres Indiz dafür ist die lobende Erwähnung der „Weinbar Rutz“, die als Hoffnungsträger für einen Stern im kommenden Jahr genannt wird.

Rutz-Küchenchef Marco Müller ist im Moment tatsächlich der einzige überzeugende Kandidat. Weitere dieser Michelin-Hoffnungsträger gibt es weder in Berlin noch in Hamburg; auch das im vergangenen Jahr in dieser Kategorie für den zweiten Stern vorgesehene „Louis C.Jacob“ an der Elbchaussee ist daraus wieder verschwunden. Das mag in Berlin vor allem Christian Lohse vom „Fischers Fritz“ im Hotel Regent schmerzen, der in Bad Oeynhausen bereits zwei Sterne hatte. Er bleibt aber eben deshalb trotzdem der wahrscheinlichste Berliner Anwärter für höhere Weihen; Thomas Kammeier (Hugos) und Matthias Buchholz (First Floor) hätten es ebenfalls verdient, warten aber schon sehr lange, zu lange…

Für Tagesspiegel-Leser hatte der Michelin in diesem Jahr aber noch eine weitere Überraschung parat: Altmeister Kurt Jäger, der langjährige Tippgeber für unsere kulinarische Sonntagsseite, konnte an seiner neuen Arbeitsstätte im Hotel Haferland in Wieck (Darß) schon wieder einen Stern erobern – und war selbst davon vermutlich am meisten überrascht. Auch die gleiche Auszeichnung für das Warnemünder „Chez Ann“ macht deutlich: Es kann für Berliner Feinschmecker, die alle edlen Restaurants der Stadt durchhaben, durchaus interessant sein, sich genauer an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern umzuschauen.

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