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Hauptsache, es spritzt. Mit dem Wrangler Rubicon kommt man durch dick und dünn.

© Marco Dei Ponti/Jeep

Es muss nicht immer Diesel sein: Mach mich dreckig!

Für die Modelle Wrangler, Cherokee und Renegade bietet Jeep neue Benzinmotoren an. Im Steinbruch konnten sie ihre Offroad-Kompetenz beweisen.

Ein weitverbreitetes Problem unter Hobbyschraubern ist deren Unfähigkeit, auf einen Blick zu erkennen, ob eine Schraube, nur so als Beispiel, nach einem 10er oder einem 11er Schlüssel verlangt. Um die Türen eines neuen Jeep Wrangler abzunehmen, hilft weder der eine noch der andere, benötigt wird ein Torx-Einsatz der Größe T-50, das ist auf den außen angebrachten Scharnieren eingeschlagen – „um dem Fahrer Rätselraten bei der Werkzeugwahl zu ersparen“, wie man bei Jeep erläutert. Nun kann man sich natürlich fragen, warum man überhaupt die Türen abschrauben sollte, wirft das doch neue Unsicherheiten auf, etwa wo nun die Außenspiegel anzubringen sind, was mit den Kabeln für die elektrischen Fensterheber wird und ob türloses Fahren auf öffentlichen Straßen überhaupt zulässig ist – Fragen, über die der langjährige Wrangler-Fahrer nur überlegen lächeln dürfte. Der Jeep-Novize dagegen, der Marke und Modell bisher eher beiläufig registrierte, wird die abschraubbaren Türen wie die umklappbare Frontscheibe und die Schnappverschlüsse der Motorhaube als Manifestationen dessen deuten, was der Hersteller gern als die DNA, die Gene der Marke preist, als Zeugnisse der im Militärischen wurzelnden Geschichte des Wrangler, der dem Ur-Jeep, dem Willys MB von 1942, unter allen Jeep-Modellen noch am nächsten steht. Und er wird rasch weitere in diese Richtung zielende Details entdecken: die ikonische Frontansicht mit den runden Kulleraugen der Scheinwerfer und den sieben vertikalen Luftschlitzen des Kühlergrills, mit denen schon General Eisenhowers GI’s herumkurvten, die ebenfalls außen liegenden Scharniere der Motorhaube, die besonders geformte Autoantenne, die ein Funkgerät vermuten lässt, und besonders die Silhouette des Ur-Jeep, die den Automatikwählhebel ziert.

Traditionsbewusst. Den Automatikschalthebel des Wrangler ziert die Silhouette des Ur-Jeep.
Traditionsbewusst. Den Automatikschalthebel des Wrangler ziert die Silhouette des Ur-Jeep.

© Andreas Conrad

Jeep, Teil des Konzerns Fiat Chrysler Automobiles, setzt also auf Tradition, hält sogar bei allen Modellen strikt an analogem Tacho und Drehzahlmesser fest, trotz all der digitalen Errungenschaften und elektronischen Helferlein, mit denen die Fahrzeuge mittlerweile selbstverständlich ausgestattet sind. Auch die aktuelle, im Vorjahr vorgestellte vierte Generation des Wrangler folgt dem Zug der Zeit, wurde im Design behutsam modernisiert, soll mit stärker nach hinten geneigter Windschutzscheibe und im oberen Teil ebenfalls nach hinten abgeschrägtem Kühlergrill dynamischer wirken, was bei solch einem klotzigen Kraftpaket freilich nur begrenzt gelingt.
Ebenso wurde der Innenraum überarbeitet, zeigt nun einen eigenwilligen Mix aus analogen und digitalen Instrumenten und Bedienelementen, aus alter und neuer Technik. Die von Jeep als Ausweis der „Echtheit und Ursprünglichkeit“ hervorgehobenen „echten Schrauben an den Schalthebeln, den Haltegriffen sowie auf den Rahmen um Schaltereinheiten und Bordmonitor“ sollte der Fahrer aber besser nicht lösen. Es steht ohnehin keine Torx-Nummer dabei.
Damit ist man nun schon wieder einige Zeit auf dem Markt. Das Brandneue aber, kürzlich bei einer Fahrpräsentation am Gardasee vorgestellt, steckt beim Wrangler ohnehin von außen unsichtbar unter der Motorhaube: eines der neuen Antriebsaggregate, die für den Wrangler, den Cherokee und den Renegade angeboten werden. Betankt wird so ein Jeep traditionell mit Diesel, den aktuellen Wrangler etwa treibt ein 200 PS starker 2,2-Liter-Vierzylinder an – oder bislang wahlweise ein V6-Benziner. Eigentlich sind Benzinmotoren bei Jeep also nicht mal etwas wirklich Neues, nur seien sie früher nie so recht wahrgenommen worden, heißt es beim Hersteller: Zu groß, zu durstig, zu teuer.

Auch bei den Feiern zum 75. Jahrestag des D-Day, des Beginns der alliierten Invasion in der Normandie am 4. Juni 1944, war der Ur-Jeep dabei.
Auch bei den Feiern zum 75. Jahrestag des D-Day, des Beginns der alliierten Invasion in der Normandie am 4. Juni 1944, war der Ur-Jeep dabei.

© Jean-Francois Monier/AFP

Mit völlig neu entwickelten Motoren will man das ändern, reagiert damit auch auf das sinkende Ansehen der Dieseltechnik – und stellte beim Wrangler dem 2.2 MultiJet II Turbodiesel nun den Twinscroll Turbo-Benzinmotor 2.0 T-GDI zur Seite. Puristen unter den Liebhabern der Marke werden da vielleicht erst mal zusammenzucken: Statt 3,6 nur noch 2 Liter Hubraum, statt sechs V-förmig angeordneter Zylinder nur noch vier in Reihe. Aber schlapper ist das neue, 272 PS starke Triebwerk dadurch keineswegs, im Gegenteil: Bei 3000 Umdrehungen pro Minute wird ein Drehmoment von 400 Newtonmeter (Nm) erreicht. Der alte Sechs-Zylinder, rechnet man bei Jeep vor, musste noch einmal um 1300 Umdrehungen höher, also spritsaufender drehen und kam doch nur auf 13,3 Prozent weniger Drehmoment.

Hohle Nockenwellen zur Gewichtsersparnis

Das Zauberwort heißt also „Downsizing“ – Abspecken bei mindestens gleicher, wenn nicht gar höherer Leistung. Zu der heutzutage zwingend niedrigerer Verbrauch und bessere Emissionswerte gehören. Konstruiert wurden sogenannte Twinscroll-Turbolader mit Direkteinspritzung. Bei ihnen werden die Abgase je eines Zylinderpaars getrennt in die Turbine gepustet, die den Motor mit einer Extraportion Luft und damit Leistung versorgt. Als weitere technische Details werden ein elektronisch gesteuertes Bypass-Ventil, ein Motorblock aus Niederdruckguss-Aluminium, zur Gewichtsreduzierung sogar hohle Nockenwellen und manches andere genannt – Spezialwissen für Ingenieure und die Technikvernarrten unter den Käufern solch einer Kraftmaschine, während der Durchschnittsfahrer doch vor allem wissen will: Zieht der Wagen gut ab? Ist er nicht nur gelände-, sondern auch alltagstauglich? Und wie oft muss ich tanken?

Egal, wie viel digitale Technik in einem Wrangler steckt: Tacho und Drehzahlmesser bleiben analog.
Egal, wie viel digitale Technik in einem Wrangler steckt: Tacho und Drehzahlmesser bleiben analog.

© Jeep

In schwerem Gelände sicher mehr als beim geruhsamen oder schon mal beschleunigtem Dahingleiten über Stadt- oder Landstraßen. Mit zehn Litern auf 100 Kilometer im kombinierten Verbrauch wird der Wrangler Rubicon, laut Jeep „das robusteste und fähigste Modell für Fahrten im Gelände“, angegeben, aber das ist in dem zu Testfahrten für ein paar Stunden freigegebenen Marmorsteinbruch südwestlich des Gardasees nicht mal ein theoretischer Wert. Zwischen 16 und 17 Liter schwankt die Angabe auf dem Display, als sich der Wagen, von Expertenhand zuvor anhand mehrerer Schalter und Hebel auf den richtigen Gelände-Modus eingestellt, durch die steinerne Wildnis mahlt – langsam und zuverlässig, nicht mal der Offroad-Anfänger muss sich da Sorgen machen.

Wie ein Wildschwein in der Moddersuhle

Gut 45 Grad steile Abhänge geht es hinauf und hinunter, durch enge Steinschluchten, vorbei an Abgründen und als besondere Herausforderung durch ein tückisch wirkendes, wohl eigens angelegtes Schlammloch, in dem sich der Wagen so wohl zu fühlen scheint wie ein Wildschwein in seiner Moddersuhle. Gleich danach geht es über einen kurzen Streckenabschnitt mit schreckenerregenden Höckern und Kratern, aber auch durch sie kriecht der Wrangler, wild von rechts nach links und zurück schaukelnd, ohne zu mucken. Hier durfte nicht mal der gleich motorisierte und robuste, doch wohl mit etwas geringeren Nehmerqualitäten ausgestattete Cherokee durch und schon gar nicht der Renegade. SUV’s wie sie sind zwar geländegängig, mal weniger, meist mehr, aber es sind eben keine Geländewagen, stoßen irgendwann an Grenzen, die der Wrangler noch locker überwindet.

Auf dem Weg ins Gelände? Vorneweg der Cherokee, dann der Compass, zuletzt der Wrangler.
Auf dem Weg ins Gelände? Vorneweg der Cherokee, dann der Compass, zuletzt der Wrangler.

© Marco De Ponti/Jeep

Dafür ist ihr Design eher schick als rustikal, beschleunigen sie teilweise etwas schneller als solch ein ebenfalls schnell ansprechendes Offroad-Dickschiff, das wie der viertürige Rubicon mit seinen 2 Tonnen Leergewicht schon 8,9 Sekunden braucht, um von 0 auf 100 zu kommen. Reicht ja allemal im Alltag, durch den der Wrangler und die SUV-Verwandtschaft gleichermaßen leicht zu manövrieren sind, sei es in den oft nahtlos ineinander übergehenden Orten am Ufer des Gardasees oder im Serpentinengeschlängel auf dem Weg zum Steinbruch. Und solch ein Offroad-Titan ist schließlich kein Rennwagen, steht eher vor dem Problem, wo denn das passende Gelände für die lockende, von Jeeps Werbestrategen vielberufene Freiheit überhaupt zu finden ist. Im Wilden Westen der USA, dem Stammland des Jeep, kein Problem. Hierzulande dagegen muss man erst mal suchen – und findet das versprochene Abenteuer dann vielleicht immerhin in der Lausitz, in der künstlichen Wildnis eines stillgelegten Tagebaus.

Stromer in Rot. Den Jeep Renegade gibt es bald auch als Plug-in-Hybrid.
Stromer in Rot. Den Jeep Renegade gibt es bald auch als Plug-in-Hybrid.

© Andreas Conrad

Technische Details

Wrangler
Abmessungen
4,33 m (L 2-Türer/4,88 m (L 4-Türer); 1,89 m (B); 1,82 – 1,90 m (H, je nach Dachform)

Gepäckvolumen
203/508 Liter (2-Türer; aufgestellte/umgelegte Rücksitzlehnen); 548/1059 Liter (4-Türer)

Antrieb (Benziner)
2,2-Liter-Vierzylinder, 272 PS, max. Drehmoment 400 Nm; 180/159 km/h Spitze, von 0 auf 100 in 7,3/7,6/8,6/8,9 Sekunden, Verbrauch kombiniert 9/10 Liter/100 km (je nach Ausstattung/Allradsystem); 8-Stufen-Automatikgetriebe

Preis
ab 47.000 Euro (2-Türer), 50.000 Euro (4-Türer)

Cherokee
Abmessungen
4,62 m (L), 1,86 m (B), 1,68/1,71/1,72 m (H, je nach Modell)

Gepäckraumvolumen
448/1555 Liter (aufgestellte/umgelegte Rücksitzlehnen)

Antrieb (Benziner)
2,2-Liter-Vierzylinder, 272 PS, max. Drehmoment 400 Nm; 206/177 km/h Spitze, von 0 auf 100 in 7,2/7,3/7,6 Sekunden (je nach Ausstattung, Allradsystem), Verbrauch kombiniert 9,3 Liter/100 km, 9-Stufen-Automatikgetriebe

Preis
ab 49.500 Euro

Renegade
Abmessungen
4,24 m (L), 1,81 m (B); 1,70/1,73 m (H)

Gepäckraumvolumen
351/1297 Liter (aufgestellte/umgelegte Rücksitzlehnen)

Antrieb (Benziner)
1,0-Liter-Dreizylinder, 120 PS, max. Drehmoment 190 Nm, 185 km/h Spitze, von 0 auf 100 in 11,2 Sekunden, Verbrauch kombiniert 6,1 Liter/100 km, 6-Gang-Schaltgetriebe, Frontantrieb; 1,3-Liter-Vierzylinder, 150 PS, max. Drehmoment 270 Nm, 196 km/h Spitze, von 0 auf 100 in 9,4 Sekunden, Verbrauch kombiniert 6,4 Liter/100 km,8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Frontantrieb; 1,3-Liter-Vierzylinder, 180 PS, Drehmoment 270 Nm, 201 km/h Spitze, von 0 auf 100 in 8,5 Sekunden, Verbrauch kombiniert 8 Liter/100 km, 9-Stufen-Automatikgetriebe, Allradsystem

Preis
ab 20.700 Euro

Alle Motoren erfüllen die Norm Euro 6d-Temp. In Vorbereitung sind die Modelle Jeep Renegade und Jeep Compass als Plug-inm-Hybride. Sie wurden im März auf dem Genfer Automobilsalon vorgestellt.

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