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Gesunde Fritten? Bei Witty’s gibt es die Fritten mit Bio-Label.

© Ralf Schönball

EU-Verordnung zu Acrylamid: Heißes Thema in Berlins Pommesbuden

Brüssels neuer Kampf gegen Acrylamid? Nie gehört, sagen Kunden der Currybude am KaDeWe. Die Chefin schon, aber die brutzelt schon jahrelang giftstofffrei.

Seit Dienstag, den 11. April, 0 Uhr ist an Berlins Pommesbuden (und allen anderen deutschen Gaststätten) nichts mehr, wie es einmal war. Nur weiß niemand was davon an den Brennpunkten, wo nur noch gesiedet werden darf. Vielleicht, weil Brüssel einfach zu weit weg ist und Verordnungen aus den Tiefen der Verwaltungen der Europäischen Union jedenfalls unter Kunden des Witty’s am Wittenbergplatz allenfalls mit einem Schulterzucken quittiert werden.

Um die Pommes geht es und wie sie zubereitet und serviert werden müssen und auch um das Brot, das nicht mehr „scharf gebacken“ mit schwarzer Kruste im Korb des sommerlich gedeckten Tisches landen darf. Die EU warnt: Es besteht Krebsgefahr. Das sagen auch Wissenschaftler, denn wo Asparagin (enthalten in Kartoffeln und Getreide) zu heiß (über 180 Grad) gebacken, gebraten, gegrillt oder frittiert wird, entstehen Acrylamid-Moleküle. Und diese schädigen das Erbgut, was unkontrolliertes Zellenwachstum auslösen kann, kurz: Krebs.

„Nein, habe ich nichts von gehört“, sagt Nuria Arribas und reicht die goldgelben Pommes an eine Dame, die auch ihren – pardon, es passt so gut – Senf dazu gibt: „Ist eben der Unterschied zwischen Theorie und Praxis.“ Die korrekte, gesundheitsschonende Zubereitung der biodynamisch gezüchteten Kartoffeln hat Arribas Chef seinen Angestellten aber ohnehin ins Pflichtenheft geschrieben: „Die Temperatur des Öls darf maximal 165 Grad betragen“, sagt Arribas. Jeden Tag müsse sie das kontrollieren, in eine Liste eintragen, die sie abheftet und einmal im Monat beim Chef im Büro abwirft.

Die Gäste haben nichts von der Verordnung gehört

Am Tresen genießt Linda Jahnke ihre Pommes und sagt: „Bei mir ist das mit der Richtlinie auch nicht angekommen.“ Lorenz Beierlein, der sich am selben Tisch über eine weiße Pappschale beugt, hat ebenso wenig von der seit Dienstag gültigen EU-Norm gehört. „Dass man Käse nicht über 200 Grad erhitzen soll, habe ich mal gelernt, aber davon auch nie wieder was gehört.“ Und überhaupt, an der viel befahrenen Straße zu stehen, sei ja auch nicht gerade gesundheitsfördernd.

Dass an dieser Pommes-Bude immerhin ein Bio-Label das Gewissen beruhigt, bringt Linda Jahnke eher auf: „Biolabels sind ja so was von verlogen“ – die prangten auch auf Schalen mit Erdbeeren aus Ägyptischer Herkunft: „Und dafür verbrauchen sie das Wasser, das in dem Land sowieso knapp ist.“ Auch Lorenz Beierlein nickt, gibt aber zu bedenken: „Unter den zwei Erdbeeren aus Ägypten würde ich die mit dem Biolabel wählen“, und fordert „ehrliche Kennzeichnungen“ der Lebensmittel von der Politik.

Aber zurück zum Thema, Anruf bei Witty’s, Monika Exter ist am Apparat: „Wir machen das schon seit zehn Jahren so“, sagt sie auf die Frage, ob sie von den neuen Richtlinien gehört habe. Damals sei das Thema Acrylamid schon einmal hochgekocht und darauf hätten sie die Temperatur der Fritteusen herunter reguliert. „Dadurch dauert es etwas länger, bis die Pommes fertig sind“, sagte sie und dass es manchen Kunden nicht gefalle.

Aber sei’s drum. Qualität gehört zum Geschäftskonzept. Vielleicht hält sich das Büdchen gegenüber vom KaDeWe auch deshalb so gut: Übernommen im Jahr 1984, als die Mauer noch Berlin in zwei Teile zerschnitt und der Westen der Stadt seinen ersten Gründerboom erlebte: mit den vielen damals neuartigen Bioläden und eben Pommesbuden mit Biofleisch und Schadstofffrei gezüchteten Kartoffeln.

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