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Berlin: Euro: "Zahlen Sie mit DM oder mit Euro?"

Der Aha-Effekt stellt sich immer ein beim Blick auf die Tankstellen-Preisschilder. 0.

Der Aha-Effekt stellt sich immer ein beim Blick auf die Tankstellen-Preisschilder. 0.90 fürs Benzin, das klingt billig und nach Urlaub. Aber wir sind nicht in den USA, sondern in einig Euro-Land. An die neuen Preise und das neue Geld müssen sich die Berliner erst noch gewöhnen. "Zahlen Sie in D-Mark oder in Euro?" - so lautete die am ersten Einkaufstag mit der neuen Währung wohl am häufigsten gestellte Frage. Die meisten Berliner wollten in den Geschäften noch alte Mark-Münzen und Scheine loswerden. Wegen der Nachfragen und Umrechnungszeiten dauerte es an den Kassen teils etwas länger, aber Verkäufer und Kundschaft zeigten sich zumeist geduldig und verständnisvoll.

Zum Thema Online Spezial: Euro: Das neue Geld! Euro-Countdown: Die Serie im Tagesspiegel Euro-Memory: Passende Euro-Pärchen finden Ted: Der Euro - mehr Vor- oder mehr Nachteile? Jana aus Potsdam und Inken aus Köpenick bringen in den Zeitungskiosk von Isa Ulus an der Potsdamer Straße nicht nur DM, sondern auch gute Laune mit. "Muss ich meinen Taschenrechner rausholen?", fragt die 35-jährige Berlinerin - ihr Handy hat diese Funktion. Nein, nein, winkt der Händler ab. Auch er akzeptiert für die Schachtel Zigaretten noch das alte Geld. Die beiden Frauen wollen gleich noch zur Bank und ihre D-Mark-Bestände umtauschen. "Wir wollen doch jetzt richtig dazugehören", sagt Jana. Und Inken freut sich über die Finanz-Reform: "Einkaufen ist jetzt richtig kommunikativ."

Die meisten Berliner gingen gestern noch altmodisch shoppen. 80 Prozent der Kunden bezahlen im Einzelhandel mit D-Mark, in mehr als 90 Prozent der Verkaufsstellen werde sie bis 28. Februar als Zahlungsmittel akzeptiert, bilanzierte der Euro-Beauftragte des Einzelhandelsverbandes, Jan Holzweißig. Die neue Währung sei "ohne Störungen" in den Handelsketten und Geschäften der Hauptstadt angenommen worden, sagte er gestern der Agentur ddp. Weniger Käufer als sonst zahlten mit EC-Karten, weil sie offensichtlich noch restliche D-Mark-Bestände ausgeben wollten. Holzweißig geht davon aus, dass die Mark Mitte Januar im Handel kaum noch eine Rolle spielen wird.

"Möchten Sie mit D-Mark oder Euro bezahlen?" Noch stellt aber auch Anita Dähre an der Kasse vom "Penny-Markt" an der Potsdamer Straße diese Frage. Die Kasse rechnet nach Tastendruck um. Mark rein, Euro raus. "Hunni" und "Groschen" werden extra entsorgt. Noch dauere es wegen der Umrechnerei etwas länger als sonst, sagt Frau Dähre. Schwierigkeiten? "Andere als erwartet." Manchmal sagen Kunden, sie zahlen in Euro, haben dann aber doch nur D-Mark, dann muss wieder neu eingebongt werden. Auch die Kassiererin im "Plus"-Markt an der Schöneberger Motzstraße fährt noch suchend mit den Fingern über die Kassenbox: Wo liegt noch mal das 20-Cent-Stück? "Das ist schon eine Umstellung."

"Unten in der Kasse haben ich die Mark, oben das richtige Geld, den Euro", sagt Carola Gonzalez vom gleichnamigen Café an der Potsdamer Straße. Auch hier wollen die meisten Markscheine loswerden "und dafür Euro raushaben". Angesichts der doppelten Kassenführung "graust" ihr schon vor der abendlichen Endabrechnung. "Ich hoffe, ich habe noch genug Euro, damit ich morgens meinen Lieferanten bezahlen kann." Einzelhandels-Kollege Peter Mett vom "Geschenkelädchen" nebenan hat sicherheitshalber die dreifache Wechselgeld-Menge in Euro parat. "Die hatte ich schon im November bestellt, es war ja zu erwarten, dass die Leute teils auch Kleinigkeiten mit großen Scheinen bezahlen wollen." An der Aral-Tankstelle in Mitte kommt man gar nicht dazu: Der Mann wechselt den Fünfzig-Mark-Schein in fünf Zehner, gibt sie der Kundin zurück und nimmt dann nur einen entgegen.

Auch in der Bäckerei am Viktoria-Luise-Platz fällt zumeist noch D-Mark in die Kasse. Die andere mit Euro wird seltener bedient. Das ältere Kundenpärchen will gar "mit unserer geliebten D-Mark" bezahlen. Endlich kommt mal jemand mit Cent und Euro im Portemonnaie. "Sie sind mir sympathisch", scherzt die Frau hinterm Ladentisch. Das Stückchen Donauwellen-Kuchen für 2,54 Mark, das erinnert an die alten DDR-Preise - aber auch der umgerechnete Betrag von 1,15 Euro klingt für Einsneunundneunzig gewohnte Ohren fremd. Und plötzlich sieht auch dieses Autokennzeichen vorm Geschäft so merkwürdig altmodisch aus: "B-DM 1738".

Annette Kögel

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