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Berlin: Europas größte Frauengenossenschaft feiert heute 10-jähriges Bestehen

Katja von der Bey hat dem Existenzgründerinnen-Zentrum nach dem Fast-Konkurs im Sommer wieder auf die Beine geholfenJulia Rehder Die Aussicht ist unschlagbar - das weiß Katja von der Bey. Fast über den Wolken, zumindest aber über der Berliner Dunstglocke sitzt die 37-Jährige und genießt den Blick auf die Stadt.

Katja von der Bey hat dem Existenzgründerinnen-Zentrum nach dem Fast-Konkurs im Sommer wieder auf die Beine geholfenJulia Rehder

Die Aussicht ist unschlagbar - das weiß Katja von der Bey. Fast über den Wolken, zumindest aber über der Berliner Dunstglocke sitzt die 37-Jährige und genießt den Blick auf die Stadt. "Bei Sonnenschein gibt es noch viel mehr her."

Ansonsten hat sie keinen Grund, sich zu beklagen. Denn das Existenzgründerinnenzentrum "Weiberwirtschaft", das im Sommer nur haarscharf am Konkurs vorbeigeschrammt ist, befindet sich inzwischen auf dem Weg der Genesung und feiert heute sein 10-jähriges Bestehen.

"Es war das Schlimmste, was mir bisher widerfahren ist. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben", sagt sie mit solchem Nachdruck, dass man den Kraftakt erahnen kann, den die Vorstandsfrau in den vergangenen Monaten vollbracht hat.

Die Verantwortung für 40 Unternehmen lastete auf ihren Schultern. 400 000 Mark mussten für eine unvorhergesehene Sanierung aufgebracht werden, da mit dem Insektizid Naphtalin getränkte Teerpappe in dem Gebäude entdeckt wurde. Nicht selten bekam sie erboste Anrufe von Mieterinnen oder Anteilseignerinnen, die sie allein für die Misere verantwortlich machten.

Auch auf ihre eigene Karriere hatte die Altlastenproblematik Auswirkungen. Eigentlich hätte von der Bey, die seit 1992 ehrenamtlich in Europas größter Frauengenossenschaft tätig ist, ab Januar in die Geschäftsleitung aufsteigen sollen. Doch daran war nicht zu denken. Zunächst mussten genug neue Anteilseignerinnen gefunden werden, um die finanziellen Voraussetzungen für eine öffentliche Förderung zu schaffen. Von der Bey motivierte deshalb auch ihre Schwester, Mutter und Lebenspartnerin.

Im März sollen die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein. Für von der Bey hat sich die Bewährungsprobe gelohnt: Zum einen ist die ambitionierte Frau seit November Geschäftsführerin, zum anderen hat sie die Krise gestärkt. Außerdem habe das Projekt Weiberwirtschaft an Ansehen gewonnen. Heute würde sich keiner mehr trauen, die Frauengenossenschaft an sich in Frage zu stellen, während früher mitunter die Meinung durchsickerte, dass die Trennung unzeitgemäß sei.

Von der Bey, die sich selbst als Feministin bezeichnet, hatte dazu schon immer eine klare Meinung: "Ich finde nicht, dass wir 20 Weiberwirtschaften brauchen, aber eine brauchen wir mindestens." Nur so könne das wirtschaftliche Potential der Frauen veranschaulicht werden. Wenn sie Besuchern erzähle, dass in Berlin 30 Prozent der Gründungen von Frauen vorgenommen werden, seien die meisten fassungslos.

Zu den Besuchern gehören inzwischen auch die Ehefrau von Uno-Generalsekretär Kofi Annan und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. Für sie der Beweis, dass die Weiberwirtschaft inzwischen ein salonfähiges Vorzeigeprojekt geworden ist.

Katja von der Bey war allerdings nicht von Anfang an mit von der Partie. Erst 1992, durch eine Werbekampagne in der U-Bahn, wurde sie auf das Projekt aufmerksam. ",Das Geld von Frauen arbeitet für Frauen", lautete der Werbeslogan - das gefiel mir", denkt die promovierte Kunsthistorikerin zurück, die eigentlich ihr Leben der Kunst widmen wollte. Auch in der Frauenbewegung hatte sie sich engagiert. Bis heute stört sie, dass die Frauen meist nur lamentieren. Bei der Weiberwirtschaft sei das von Anfang an anders gewesen. Heute wird gefeiert. Wer Lust und Laune hat - auch Männern wird der Hof gemacht - ist zwischen 15- und 19 Uhr eingeladen, den Weihnachtsmarkt und die Jubiläumsausstellung in den Höfen der Weiberwirtschaft eG, Anklamer Straße 38, in Mitte zu besuchen.

Julia Rehder

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