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Europawahl: Ein Plakat wie das andere

Die Parteiplakate zur Europawahl helfen bei der Orientierung kaum weiter. Fast alle werben für dasselbe.

Plakate überall – zwei Wochen vor der Wahl des Europäischen Parlaments am 7. Juni geht der Wahlkampf erkennbar in die heiße Phase. Was die Parteien kommunizieren wollen, wie ansprechend die Plakate gemacht und wie sachlich oder emotional die Argumente sind, dazu hat der Tagesspiegel einen Experten gefragt. Stefan Mannes ist Politikwissenschaftler und Geschäftsführer der Werbeagentur kakoii. Er arbeitet insbesondere zu gesellschaftspolitischen Themen – er hat unter anderem die Kampagne für das Holocaust-Mahnmal konzipiert.

CDU: Die Plakate sind typisch für die Haltung der großen Parteien vor einer Wahl: Bloß keine Experimente. Gegen die Slogans „Wir in Europa“ oder „Für eine Soziale Marktwirtschaft, die menschlich ist“ hat niemand etwas, sie sind nicht angreifbar. Der Preis dafür ist, dass die Plakate aussagelos bleiben und kaum wahrgenommen werden. Sie sind gestalterisch überladen und in der Farbwahl etwas bieder. Durch das Schwarz-Rot-Gold setzen sie einen patriotischen Akzent. Die Fotos sind aus anderen Kontexten bekannt und dadurch nicht interessant. Noch dazu sprechen sie nicht für sich – was hat eine einkaufende Frau mit sozialer Marktwirtschaft zu tun?

Die CDU arbeitet mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, um niemanden abzuschrecken. Auf einigen Plakaten wird der Spitzenkandidat Hans-Gert Pöttering gezeigt, damit die Wähler den Namen auf den Wahllisten wiedererkennen.

SPD: Die SPD fährt zwei völlig voneinander getrennte Linien – eine gezeichnete Angriffsserie und ein ruhiges Äquivalent zur CDU-Kampagne.

Die Angriffslinie zuerst zu hängen, ist eher ungewöhnlich und riskant, weil sich die Partei dadurch selbst angreifbar macht. Aufmerksamkeit ist damit allerdings garantiert – und gerade im Hinblick auf die Eruopawahl, bei der die Wahlbeteiligung sehr niedrig ist, kann das durchaus sinnvoll sein.

Stilistisch ist diese Linie intelligent gemacht: Sie ist einfach, prägnant, plakativ – sie fällt auf. Auch inhaltlich ist sie spannend, weil sie emotionalisiert und gegen den politischen Gegner geht. Solche Plakate werden geschaltet, wenn Parteien eher in der Defensive sind. Nur die Grünen sind als potenzieller Koalitionspartner bei der Bundestagswahl vorsichtshalber ausgespart. Hier wird deutlich, dass die Europawahl für die Parteien eher unbedeutend ist – die Gesamtstrategien zielen schon auf den Herbst.

Mit der zweiten Linie, die die SPD jetzt nachlegt, ist die Partei auf der sicheren Seite. Wie die CDU versucht sie hier, den kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Zielgruppe zu treffen. Was dort die einkaufende Mutter, ist hier die für Niedriglohn arbeitende Frau. Gestalterisch sind diese Plakate aufgeräumter als die der CDU, klarer fotografiert und auf eine Person fokussiert. Thematisch sind CDU und SPD identisch: Es geht um soziale Marktwirtschaft und darum, die Krise zu bewältigen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Grüne: Die Grünen haben bei ihren Plakaten gestalterisch mehr Möglichkeiten genutzt als die anderen Parteien. Das Wort „WUMS“ soll über positive Irritation funktionieren. Die Theorie ist: Stehenbleiben, gucken, Sternchen entdecken, die Auflösung lesen – „Wirtschaft und Umwelt, menschlich und sozial“. Stilistisch ist die Kampagne etwas anspruchsvoller als der Rest. Die Signalfarben fallen auf, es gibt ein zentrales Bildmotiv. Der Wähler bleibt daran hängen – etwa an dem Maiskolben, der wie ein Autonomer aussieht.

Inhaltlich sagen die Plakate so wenig wie die der anderen Parteien: „Für ein besseres Europa“ könnte auch auf allen anderen Plakaten stehen. Allerdings ist es bezeichnend, dass auch bei den Grünen die Wirtschaft an erster Stelle steht. Die Krise überlagert viele Themen, deshalb müssen sie neben ökologischer auch ökonomische Kompetenz zeigen.

Mit dieser Kampagne spricht die Partei ihre klassischen Wähler an, neue Wähler werden so kaum gewonnen.

FDP: Die Partei setzt ganz auf ihre Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin. Die Kampagne ist personell sehr stark fokussiert, die Kompetenz soll sich in einer Person bündeln. Eine Frau als Spitzenkandidatin ist noch immer eher ungewöhnlich, das bringt Aufmerksamkeit.

Vom Slogan her ist es wiederum dasselbe wie überall: „Für Deutschland in Europa“. Mit der Ausnahme, dass einen die Schlagwörter, die über dem Slogan stehen, etwas ratlos zurück lassen: „Leistung“ etwa. Wessen Leistung ist da gemeint? Die des Unternehmers? Die der Kandidatin? Diese Irritation wird nicht aufgelöst.

Das ist ein klassischer Anfängerfehler. Die Schlagwörter bilden zwar eine Serie – „Freiheit“ folgt noch –, aber die erkennt man nur, wenn die Plakate nebeneinanderhängen. Agenturen und Kunden finden das toll, aber auf der Straße funktioniert das nicht, weil sich die Reihe im Kopf dort nicht bildet. Gestalterisch sind die Plakate eher unruhig. Fünf verschiedene Schriftgrößen auf einmal, das macht man eigentlich nicht.

Linke: Die Kampagne der Linken ist gestalterisch sehr klar. Im Unterschied zu den anderen Parteien thematisiert die Linke auf den verschiedenen Plakaten spezifische politische Forderungen mit einer plakativen Kernaussage. Mit knackig formulierten Aussagen positioniert sie sich links der SPD.

Wer will, kann den erklärenden Text lesen, aber den Gedanken versteht man auch ohne Zusatzinformation. Auch thematisch ist die Partei als Einzige etwas breiter aufgestellt und bezieht etwa die Außenpolitik mit ein.

Fazit: In ihren Aussagen sind die Kampagnen der Parteien nahezu austauschbar.Die Plakate für die Europawahl werben fast alle für dasselbe: ein soziales Europa. Zwar können Plakate selten mehr als ein Argument transportieren – aber indem alle dasselbe liefern, bleibt doch unklar, wie sich der Wähler orientieren soll. Schön gewesen wäre: Mehr Reibung, mehr Mut!

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