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Immer dem Kreuze nach. Erst nach langen Diskussionen wurde die Fusion der drei Gemeinden beschlossen. Am Montag wurde sie mit einer Prozession und einem Gottesdienst vollzogen.

© Mike Wolff

Evangelische Kirchengemeinde Kreuzberg-Mitte: Drei Gemeinden feiern ihre Vereinigung

Lange wurde über die Fusion diskutiert, am Ende überwogen die Argumente für das Zusammengehen: Am Pfingstmontag feierten drei alte, traditionsreiche Kreuzberger Kirchengemeinden ihre Vereinigung.

Glocken läuten, die Polizei sichert die Kreuzung an der Gitschiner Straße. Passanten bleiben stehen, gucken. Eine Prozession, mitten im Kiez. Gut 100 Menschen ziehen durch das Viertel, in dem die Christen längst eine Minderheit sind. Den Gekreuzigten tragen sie vor sich her, von der Melanchthon-Kirche am Planufer zur Sankt-Simeon-Kirche an der Wassertorstraße, später dann zur Sankt Jacobi-Kirche an der Oranienstraße. Denn aus drei alten, traditionsreichen Kreuzberger Kirchengemeinden entstand am Pfingstmontag eine einzige: Die „Evangelische Kirchengemeinde in Kreuzberg-Mitte“ wurde offiziell gegründet.

Lange war über die Fusion diskutiert worden, am Ende überwogen die Argumente für das Zusammengehen. Im Mai 2012 stimmten die drei Gemeindekirchenräte für das Zusammengehen, wenn auch teilweise mit schwerem Herzen. Denn künftig wird es für die rund 6000 Gemeindeglieder nur noch zwei Pfarrer geben. Und in St. Simeon und St. Jacobi sollen nur noch im Wechsel Gottesdienste stattfinden. „Nicht immer ist alles rund gelaufen“, sagt auch Pfarrer Holger Schmidt zur Begrüßung der Gemeinde in der Melanchthon-Kirche. „Wir sind auch aneinander schuldig geworden.“ Um die gegenseitigen Verletzungen, die Ärgernisse und bösen Worte aus dem Fusionsprozess symbolisch loszulassen, tragen die Gemeindeglieder kleine Steine zum Altar und legten sie dort nieder.

Und dann geht es quer durch Kreuzberg, dem Kreuz hinterher. „Wir wollen mit der Prozession auch unseren Glauben öffentlich machen“, sagt Holger Schmidt. „Wir wollen eine offene, missionarisch einladende Gemeinde sein – also laden Sie die Menschen ein, mit uns zu kommen, wenn Sie unterwegs angesprochen werden.“ Streckenweise klappt das auch: Ein Bettler, der sich auf der Admiralbrücke niedergelassen hatte, folgt der Prozession ein Stück. Und so mancher Tourist, den es am Pfingstmontag nach Kreuzberg treibt, macht mit dem Handy schnell ein Foto – fast wie am Vorabend, als unzählige Berlin-Besucher den traditionellen Pfingstweg der Berliner Bischöfe Unter den Linden im Bild festhielten. Nur dass in Kreuzberg alles eine Nummer kleiner ist.

Vor der Simeonkirche wird die Prozession bereits erwartet: Superintendent Bertold Höcker steht in weißem Gewand mit roter Stola vor dem Gotteshaus. Er erinnert die Christen daran, dass auch ihre Individualität ein Geschenk Gottes sei. „Das heißt: Gott liebt auch die, die ich gar nicht mag“, sagt Höcker. Und in Anspielung auf das Pfingstfest, bei dem bekanntlich der Heilige Geist über die Menschen kam: „Wo kein Streit ist, ist auch kein Geist – da ist dann nur Friede, Freude, Eierkuchen.“ Auch die neue Gemeinde sollte miteinander um die Wahrheit streiten, riet Höcker. „Denn wo viel Energie ist, da ist Leben.“

Und wieder läuten die Kirchenglocken, wieder machen sich die Christen auf den Weg. Mit dabei ist auch die 72-jährige Renate Horn. 1957 war sie in der Simeon-Kirche eingesegnet worden, später zog sie in die Nachbarschaft, engagierte sich in der Melanchthonkirche. „Früher lebte hier jede Gemeinde eher für sich“, erinnert sie sich. „Mich freut es, dass wir jetzt eine größere Gemeinschaft sind und zusammengehen.“ Um das zu feiern, versammeln sich die Christen aus den drei Gemeinden in der Jacobi-Kirche zum gemeinsamen Abendmahl. Und zum Grillen im Garten der Kirche: Bei Würstchen und Kuchen kommen die Nachbarn aus den einst selbständigen Gemeinden ins Gespräch, lernen sich weiter kennen – und planen schon mal, wie es in Kreuzberg weitergeht.

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