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Evrim Sommer, Bundestagsabgeordnete der Linken für Berlin-Spandau.

© Metodi Popow/imago

Von Neonazis beobachtet, von türkischen Faschisten bedroht: Berliner Bundestagsabgeordnete steht auf „Feindesliste“

Ein Neonazi besaß Fotos der Bundestagsabgeordneten Evrim Sommer und ihre Ehemanns. Zuvor drohte ihr ein türkischer Faschist mit Vergewaltigung.

Rechtsextreme hatten offenbar mehr Politiker im Blick als bislang bekannt. So sind auch Daten über die Berliner Bundestagsabgeordnete Evrim Sommer (Linke) bei einem Neonazi entdeckt worden. Der Fall reiht sich in eine Serie sogenannter Feindeslisten ein, auf der allein in Berlin 500 Personen vermerkt worden sein sollen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Fraktionschefin der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Anne Helm, vom „NSU 2.0“ bedroht worden ist.

Sommer, die seit 2017 für den Wahlkreis Spandau im Bundestag sitzt, ist während ihrer politischen Laufbahn aus verschiedenen Szenen heraus bedroht worden. Vor zehn Jahren war Sommer zudem Opfer eines Brandanschlages geworden. Im März 2010 hatten Unbekannte das Auto der Politikerin in Lichtenberg angezündet.

Im Entwicklungshilfeausschuss des Bundestages beschäftigt sich Sommer öffentlichkeitswirksam mit der Lage der Kurden in der Türkei, Syrien, Irak und Iran. Im April 2018 ist sie offenbar deshalb von einem türkischen Rechtsradikalen über ein Internetportal angeschrieben worden: Er wisse, wo sie wohne, drohte der Mann auf Türkisch, werde sie abfangen und vergewaltigen.

BKA bietet Sicherheitsgespräch an

Im aktuellen Fall schreibt das Bundeskriminalamt (BKA) an Sommer, die „Besondere Aufbauorganisation Fokus“ der Berliner Polizei habe nicht nur von der Abgeordneten selbst Bilder auf den Datenträgern gefunden, sondern auch von ihrem Ehemann, einem in der NS-Forschung bekannten Historiker.

Bei den Daten, die „letztmalig vor mindestens sieben Jahren“ bearbeitet worden seien, handele es sich „nicht um eine strukturierte Auflistung von Personendaten, aus der eine konkrete Gefährdung abgeleitet werden kann, sondern um eine Datensammlung über Institutionen, Organisationen und Personen, die von den Urhebern als ’politische Gegner’ angesehen werden“, schreibt das BKA, bietet aber ein „Sicherheitsgespräch“ an.

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Wie berichtet ermittelt die „Fokus“ genannte Einheit des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) zu rechtsextremen Taten in Neukölln. Die LKA-Beamten sollen Brandanschläge und Bedrohungen aufklären, die 2016 begannen. Dabei wurde bei einem Verdächtigen die erwähnte Feindesliste gefunden, auf der sich auch die Abgeordnete Sommer befand.

Linke-Fraktionschef Bartsch: Wer Mandatsträger bedroht, greift Demokratie an

Eine andere Welle anonymer Drohungen werden seit Monaten mit „NSU 2.0“ unterzeichnet. Auch die Berliner Linken-Fraktionschefin Held hat ein solches Drohschreiben erhalten. Es soll der Drohung an die hessische Linken-Politikerin Janine Wissler ähneln. Das Schreiben an Helm habe öffentlich nicht bekannte Informationen enthalten.

Wie in anderen Fällen besteht der Verdacht, dass Daten von einem Polizei-Computer in Hessen aus abgefragt wurden. In Sicherheitskreisen werden Beamte aus Frankfurt (Main) verdächtigt. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, mit Blick auf die hessische Polizei Konsequenzen zu ziehen. Der dortige Innenminister schloss nicht aus, dass es in der Behörde ein rechtes Netzwerk gibt.

Immer wieder werden Politiker der Linkspartei bedroht – so wurde der Berliner Abgeordnete Hakan Tas 2017 von einem türkischen Rechten in Kreuzberg geschlagen. Ob deutsche Neonazis oder türkische Rechtsradikale: „Wir alle müssen eine Kultur schaffen, in der so etwas nicht als normal erachtet wird“, sagte Fraktionschef Bartsch dem Tagesspiegel. „Wer Mandatsträger bedroht, greift die Demokratie an.“

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