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Heinz Buschkowsky bei einem Auftritt in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner".

© imago/Müller-Stauffenberg

Ex-Bürgermeister von Neukölln: "Klugscheißerpartei" - Heinz Buschkowsky greift SPD an

Sozialdemokrat Heinz Buschkowsky wirft seiner Partei vor, für Randgruppen statt für „die arbeitende Bevölkerung“ zu kämpfen, berichtet die "Welt". Die Reaktionen sind verhalten.

So heftig wird die SPD selbst von ihren Gegnern kaum angerempelt. Doch Genosse Heinz Buschkowsky, Ex-Bürgermeister von Neukölln, kam so richtig in Fahrt, als ihn die „Welt am Sonntag“ jüngst zur aktuellen Situation der Sozialdemokratie befragte. Als „Klugscheißerpartei“ beschimpfte er die SPD. Sie sei „auf dem Weg zurück zu Klassenkampf, Volkshochschulpolitik, Avantgarde des Proletariats“. Und seine Kritik an den Berliner Genossen gipfelte in den Sätzen, die hauptstädtische SPD gelte „nicht umsonst als unterirdischster Landesverband der deutschen Sozialdemokratie. Da sind viele Kranke unterwegs.“

Mit Behauptungen wie „Multikulti ist gescheitert“ polarisiert Heinz Buschkowsky seit Langem. Nun hat er offensichtlich seine eigene Partei im Visier.

Quo vadis SPD im Bund und Land? Heftige Scharmützel um den Kurs der Sozialdemokraten gab es auch auf der Berliner Landesebene seit 2017 schon etliche. Initiiert von links oder rechts ausgerichteten Genossen, von SPD-Oldies wie dem einstigen Landeschef der Partei und langjährigen Bausenator Peter Strieder oder Vertretern der jüngeren Garde.

Attacken von SPD-Oldies

SPD-Fraktionschef Raed Saleh rügte 2017 mehrfach den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, weil der bei vielen bürgernahen Themen wie Bürokratie oder Sicherheit nicht entschieden genug durchgreife. Peter Strieder las seinen Genossen erst vor wenigen Tagen die Levite. Sie hätten beim Management der öffentlichen Institutionen politisch versagt, warf er ihnen vor.

Und eine Gruppe jüngerer Funktionäre um den Berliner SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier sowie den Ex-Chef der Senatskanzlei und jetzigen Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Björn Böhning lädt Ende August in Kreuzberg zu einem Diskussionsforum über ihre Thesen ein. In einem Brandbrief an die Genossen hatten sie sich bereits im Mai höchst kritisch mit der Politik der Sozialdemokraten in der Hauptstadt auseinandergesetzt. Die SPD verliere sich im „Kleinklein einer tristen Verwaltungslogik“. Aber ihr Grundproblem sei, dass sie „keine klare Linie“ mehr habe.

Die Debatte um diese Linie macht sich vor allem fest an der Frage: Für wessen Interessen sollten sich die Sozialdemokraten primär einsetzen? Wer gehört zu ihrer potentiellen Anhängerschaft?

Aus Buschkowskys Sicht ist die eigentliche Klientel die „arbeitende Bevölkerung“. Für deren Belange setze sich die Partei zu wenig ein, seitdem sie mehr und mehr von akademisierten Funktionären und immer weniger von Menschen aus Arbeiterfamilien geführt werde, sagte er im Interview. Stattdessen kämpfe die SPD für „für gesellschaftliche Randgruppen“. Sie spendiere „Geld ans Milieu. An Menschen, die weder ihren Eltern noch der Lehrerin zugehört haben. Sie haben keinen Beruf, liegen morgens zu Schichtbeginn noch im Bett ... die Kinder schwänzen die Schule.“ Und weiter: „Sie sind halt benachteiligt und diskriminiert. Das versteht kein Normalbürger.“

Damit liegt Buschkowsky etwa auf einer Linie mit Sigmar Gabriel, dem Ex-SPD-Bundesvorsitzenden und Ex-Bundesaußenminister. Die SPD habe sich zu wenig um die einfachen Menschen gekümmert, zu viel um Hipster und Gender, zu wenig um Gerechtigkeit, sagte Gabriel nach der Bundestagswahl 2017.

Buschkowskys Attacke kommt in der Partei schlecht an

Doch viele Sozialdemokraten schätzen das längst anders ein. Als ob Emanzipation nur etwas für die Elite wäre, hielten Kritiker Gabriel postwendend entgegen. Und sie sehen sich von Sozialforschern bestätigt. Besonders in Berlin, dessen klassische Industriearbeiterschaft stark geschrumpft ist, während der Dienstleistungssektor kräftig wuchs. Die SPD sei „schon lange keine Arbeiterpartei mehr“, sie werde „von der Dienstleistungsklasse gewählt“, sagte die Sozialwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universität Naika Foroutan am Sonntag im Tagesspiegel-Interview.

Buschkowskys Attacke kommt in der Partei derweil schlecht an. Die Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, schreibt auf Twitter lapidar: „Noch so einer, der vom SPD-Bashing lebt.“ Daniel Buchholz, SPD-Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt im Abgeordnetenhaus, sagte auf Anfrage, normalerweise schätze er Buschkowskys klare Worte. „Aber ich glaube, diesmal hat er drei Nächte lang schlecht geschlafen.“

Viele führende SPDler hatten allerdings am Sonntag die zornigen Worte des Alt-Genossen noch gar nicht registriert. Sie erholen sich im Urlaub, waren für Stellungnahmen nicht zu erreichen. Oder sie beschlossen, Buschkowskys heftige Nummer zu ignorieren, zumal dieser wegen seiner zunehmend populistischen Töne in der Partei dem Vernehmen nach immer weniger ernst genommen wird. SPD-Landesgeschäftsführerin Anett Seitz jedenfalls wollte sich am Sonntag zum Interview gar nicht äußern.

Umso deutlicher wurde der außenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Stefan Liebich. Denn auch gegen seine Partei wettert Buschkowsky. Längst gebe es Wetten, dass Klaus Lederer von der Linken der nächste Regierende Bürgermeister werde, sagte der Sozialdemokrat. Und fügte hinzu: „Wir präsentieren den SED-Fritzen die Stadt auf dem silbernen Tablett.“ Liebichs Konter auf Twitter: „Ohne die ,SED-Fritzen' wäre Buschkowsky gar nicht Bürgermeister geworden. Wählen ließ er sich nämlich 2001 unter anderem von der PDS.“ Und schiebt augenzwinkernd nach: „Nicht unsere beste Idee.“

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