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Leere Reihen: Es ist einsam geworden um Stadtkewitz. Die CDU schloss den Islamkritiker aus der Fraktion aus.

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Ex-Parteifreund will Partei gründen: CDU bekommt Konkurrenz von Stadtkewitz

Einen Tag nach seinem Ausschluss aus der CDU-Fraktion kündigte der ehemalige Unionspolitiker René Stadtkewitz die Gründung einer "Freiheitspartei" an. Politikwissenschaftler trösten die Berliner CDU - und rügen die SPD.

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Der ehemalige CDU-Politiker René Stadtkewitz will eine „Freiheitspartei“ gründen. Sie soll bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus antreten. Das sagte Stadtkewitz am Mittwoch, einen Tag nach seinem Ausschluss aus der CDU-Fraktion. Stadtkewitz will bürgerlich-konservative Wähler ansprechen. In den vergangenen Jahren sei vor allem Politik für Minderheiten gemacht worden. Die neue Partei solle Politik für die Mehrheit der Gesellschaft machen, sagte der Pankower Politiker. Der Begriff der Freiheit werde im Zentrum der Programmatik stehen, und zwar in gesellschaftlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht, sagte Stadtkewitz.

Besonders wichtig sei ihm die Abgrenzung von Rechtsradikalen. Die Partei werde „auf dem Boden des Grundgesetzes“ stehen. Neue Mitglieder sollten schon im Aufnahmeformular bestätigen, dass sie keiner rechtsradikalen oder rechtsextremen Partei angehörten oder noch angehören. Ausdrücklich nannte Stadtkewitz die NPD und die neue Partei „Pro Berlin“, in der sich radikale Islamkritiker organisiert haben. Auch Stadtkewitz ist ein radikaler Islamkritiker. Seine Entfremdung von der CDU begann mit dem Konflikt um den Bau der Ahmadiyyah-Moschee in Pankow.

Stadtkewitz will sein Projekt am Freitag öffentlich vorstellen. Er werde wohl kaum allein auf dem Podium sitzen, sagte der Politiker. Interessenten und mögliche Mitstreiter kämen nicht aus der CDU. Auch einen Finanzier will er schon gefunden haben. Der Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität sieht durchaus „das Potenzial für eine bürgerlich-konservative Partei rechts von der Union. Doch glaubt Niedermayer nicht, dass Stadtkewitz und seine Partei Chancen haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. CDU-Landeschef Frank Henkel sagte, die Neugründung mache ihm keine Sorgen, „weil ich überzeugt bin, dass die Union auch diesen gesellschaftlichen Bereich abdeckt“. Zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen der CDU und Stadtkewitz sagte Henkel: „Es ist ein Unterschied, ob man Integrationsprobleme offen anspricht oder ob man ganze Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke stigmatisiert.“

Niedermayers Zweifel an den Chancen der Neugründung hängen mit dem Gründer zusammen: Stadtkewitz habe „viel zu wenig Standing, kein Charisma und ist außerdem kein Medienprofi“. Zweitens sei die Finanzierung fraglich. Drittens fehlten ein Jahr vor dem Wahltermin alle organisatorischen Voraussetzungen, etwa für den Straßenwahlkampf. Parteienforscher Peter Lösche sieht einen rechtspopulistischen Nährboden. „Zirka zehn bis 15 Prozent der Wähler haben diese Tendenzen.“ Auch er glaubt nicht an den Erfolg einer Stadtkewitz-Partei. Es fehle der aktuelle Anlass. Wie Niedermayer bezweifelt Lösche, dass die neue Partei die Fünf-Prozent-Hürde überwinden könnte. Die Hürde für die Bezirksverordnetenversammlungen liegt indes bei drei Prozent der Wählerstimmen. Bei der BVV-Wahl vor vier Jahren kam die NPD in Neukölln, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg in die BVV, die Republikaner in die BVV-Pankow.

Würde hingegen Thilo Sarrazin eine Partei gründen, käme er laut Umfragen auf 18 Prozent Sympathisanten. Die „Causa Sarrazin“ und der beabsichtigte Parteiausschluss bringt die SPD in arge Bedrängnis. Von vielen Sozialdemokraten erhalte er positive Rückmeldungen, sagte Sarrazin vor Kurzem. Nach einer Umfrage von Infratest dimap für den RBB gibt jeder zweite Berliner Sarrazin recht. 53 Prozent der SPD-Anhänger sprechen sich gegen einen Parteiausschluss aus.

„Der Parteiausschluss ist ein Fehler“, sagt Niedermayer, „das schadet der Partei mehr als es ihr nützt.“ Die SPD habe sich in vielen Fragen wie Renten- oder Sozialproblematik zu weit von der Lebenswirklichkeit entfernt. Anhand der Sarrazin-Thesen habe sie jetzt die Chance, kritisch über Integrationspolitik zu diskutieren und die Basis einzubeziehen. Als ideologische Programmpartei sei es ihr aber immer schon schwer gefallen, abweisende Meinungen zu akzeptieren und eine offene Diskussion zuzulassen. „Sie sollte mit ihrem Mitglied Sarrazin diskutieren und dessen Argumente entkräften, statt ihn auszugrenzen und mundtot zu machen“, sagt Niedermayer.

Sarrazin habe Sympathien bei allen Parteien, sagt Parteienforscher Lösche, der im Grundsatz für die „freie Rede“ eintritt. In der SPD herrsche derzeit zwar „Unruhe“. Ein Ausschlussverfahren aber sei politisch nicht so relevant als dass es der SPD massiv nachhaltig schaden würde.

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