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Sybille von Obernitz. Parteilos. Und arbeitslos. Zumindest ist sie ihren Senatorenjob los.

© dapd

Ex-Wirtschaftssenatorin von Obernitz: Nachfolger gesucht

Als man sie ihm vorschlug, zögerte Frank Henkel nicht: Sybille von Obernitz, die Parteilose, zog für seine CDU in den Senat – und entschied dann doch lieber allein. Ihr Rücktritt offenbart ein Personalproblem, das symptomatisch ist für die Berliner Regierung.

Vielleicht hat Klaus Wowereit kurz in sich hineingegrinst, als er am Sonnabend hörte, dass die CDU nun ohne Wirtschaftssenatorin dasteht. Er weiß, wie schnell man auf- und absteigen kann in der Politik. Er weiß auch, dass der eigene Glanz manchmal vor allem deshalb leuchtet, weil drumherum alles so dunkel ist.

An Frank Henkel, seinem Mit-Regenten in einer Neuauflage der großen Koalition in Berlin, hat Wowereit sehen können, wie das ist, wenn da auf einmal noch einer zu strahlen beginnt, aufgeladen mit der positiven Energie des Wahlvolks, hochgehoben von der flüchtigen und schwer zu kalkulierenden Sympathie des Publikums.

Mit dem Langstrecken-Sympathie-Gewinner Wowereit ist es monatelang abwärtsgegangen, wegen des „Flughafendesasters“, wie er selbst es genannt hat. So ist aus „Teflon-Klaus“, an dem kein Ärger haften bleibt, „Desaster-Klaus“ geworden.

Jetzt aber zeigt ihm der Abgang der Sybille von Obernitz aus dem Senat, dass auch die Konkurrenz ganz schnell Probleme bekommen kann. Frank Henkel, Innensenator, Bürgermeister, CDU-Landeschef und Polit-Talentsucher seiner Partei, verbringt den Sonntagabend damit, seinen engsten Parteifreunden das Desaster mit Obernitz zu erklären. Hinterher war von „guten Gesprächen“ die Rede. Generalsekretär Kai Wegner sagte, auf einen Zeitplan habe man sich nicht festgelegt. Qualität gehe vor Schnelligkeit.

Bildergalerie: Die verbotenen Bilder der Ex-Senatorin

Jetzt, könnte Wowereit denken, sind mal wieder die anderen dran. Das kann einen schon zum Grinsen bringen. Unabgesprochen und eigenmächtig hatte sich Obernitz in die Suche nach einem neuen Chef für die Messe Berlin eingeschaltet. Das führte zu einem Eklat mit Henkel.

Der hat nun neben einigen kleineren Problemen ein richtig großes zu lösen. Nach mehreren, wie man hört unerfreulich-unfreundlichen Telefonaten mit Obernitz am Sonnabend, hat sich in der Partei die Version verbreitet, der Vormann der CDU habe der auf CDU-Ticket in den Senat entsandten ehemaligen leitenden IHK-Mitarbeiterin und Nicht-Politikerin die Zusammenarbeit gekündigt. Henkel hätte nach dieser Version ausgesprochen und durchgesetzt, was er und einige andere Parteifreunde kommen sahen: Dass Obernitz nicht in dem Amt zu halten war, weil sie Fehler machte, dies nicht einsah und Menschen, Mitarbeiter, Abgeordnete, Parteifreunde weder für sich gewinnen konnte noch wollte.

Ein rundes Dreivierteljahr nach ihrer Ernennung gab es unter den wichtigen Leuten in der Berliner CDU viele, die erzählten, dass es nicht möglich sei, mit Obernitz ein freundlich-parteifreundliches Verhältnis zu beginnen. So gab es am Ende der Woche, als der Streit zwischen Obernitz und den Chefs und Aufsichtsräten der Berliner Messe eskalierte, offenbar niemanden in der CDU-Führung, der sie im Amt halten wollte.

Und Henkel entschied. Die andere Version – dass Obernitz den ständigen Ärger im Amt über hatte und Henkel am Sonnabend mitteilte, sie wolle nicht mehr, ist nicht zu erhärten: Obernitz war am Wochenende nicht zu sprechen.

So steht der CDU-Mann nun fast genau da, wo er vor einem Dreivierteljahr schon war: Solo und auf sich gestellt vor einem Terrain, der Wirtschaft, in dem er sich nicht besonders auskennt. Deshalb hatte er sich ja auf die Empfehlung des Industrie- und Handelskammer-Präsidenten Eric Schweitzer verlassen und Obernitz als Wirtschaftssenatorin vorgeschlagen.

Nur „fast genau“, weil sich im CDU- Präsidium, also unter Henkels wichtigsten Beratern, die Überzeugung durchgesetzt hat, dass jeder künftige Wirtschaftssenator gute Parteibeziehungen haben sollte. Was auch bedeutet: dass er politisch kommunizieren kann; dass er die Abgeordneten und die Fraktion einbezieht, was Obernitz nicht tat; dass er genau unterscheidet, was CDU-Positionen sind – und was nicht.

Obernitz, so hört man in der CDU, habe eine „Achse“ zum SPD-nahen Finanzsenator Ulrich Nußbaum geschmiedet, die Beziehungen zur CDU-Fraktion aber nur halbherzig und lustlos gepflegt.

Heilmann könnte den Job machen - der will aber nicht

Innige Parteinähe ist den CDU-Granden jetzt sogar wichtiger als das Kriterium „Frau“: Es wäre schön, wenn sich die CDU nicht wieder bloß als eine reine Männerpartei darstellte, aber zwingend sei das nicht. Wirtschaftserfahren, parteinah – mehr als zwei Kriterien dieser Art sind mit der Berliner CDU-Lebenswelt ohnehin nicht zusammenzubringen.

Thomas Heilmann, Justiz- und Verbraucherschutz-Senator, erfüllt diese Kriterien. Er will aber nicht wechseln. Ein Grund dafür sind, so hört man es in der CDU, ein paar Beteiligungen an Berliner Unternehmen, die Heilmann halte. Das ist nach dem Senatorengesetz ohne Weiteres zulässig. Doch Heilmann wolle, so heißt es in der CDU, auf keinen Fall ins Gerede kommen, weil er amtliche und private Angelegenheiten nicht trenne.

Und seine potenzielle Nachfolgerin im Justizressort, die Abgeordnete Cornelia Seibeld, hat schon im vergangenen Herbst alle Ambitionen auf „in ein paar Jahren“ verschoben. Sie ist Mutter eines noch sehr kleinen Jungen, außerdem Anwältin, und will erst mal sehen, wie sie Familie und Beruf ohne die Verpflichtung auf lange Abende und durchterminierte Wochenenden zusammenbringt.

Eine Politikerin, die nicht gleich zugreift, wenn man ihr ein hohes Amt anbietet – das ist ein Beispiel wertegebunden konservativer Politik, das Henkel indes wenig nutzt. Der Mann, der nach dem Polit-Abenteuer mit Friedbert Pflüger gemeinsam mit einigen anderen, zum Beispiel mit Monika Grütters und Thomas Heilmann, die Berliner CDU überhaupt erst wieder einigermaßen regierungsfähig gemacht hat, der die Führung der Partei umgebaut und der Fraktion eine Verjüngung möglich gemacht hat, muss nun sehen, dass das alles noch zu wenig war.

Bildergalerie: Die verbotenen Bilder der Ex-Senatorin

Der CDU fehlen auf der Führungsebene schlicht die Leute. Zehn Jahre Opposition in einer Stadt, die vom Lebensgefühl mit Konservatismus nichts anfangen kann und will und mit der von der Union gehüteten Normal-Bürgerlichkeit auch nicht übermäßig viel, haben Spuren hinterlassen.

Zum Mitregieren sind Henkel und Grütters, so lange ist das noch nicht her und doch schon fast vergessen, wegen der Regierungsunfähigkeit der Berliner Grünen gekommen. Die hatten die Gespräche mit Klaus Wowereit platzen lassen – der suchte daraufhin den Kontakt zu Henkel. Wobei auch Wowereits SPD vor Nachwuchskadern nicht gerade strotzt.

Als Klaus Wowereit die Abgeordnete Sandra Scheeres als Bildungssenatorin vorschlug, kursierte sogleich das Gerücht, der Regierende habe sich zuvor neun Absagen eingehandelt. Und kaum war Michael Müller, Wowereits wichtigster Verbündeter, vom SPD-Fraktionschefbüro im Abgeordnetenhaus in die Stadtentwicklungsverwaltung umgezogen, fielen im Preußischen Landtag die Genossen übereinander her.

Sie zerstritten sich in Sachen Führung. Raed Saleh setze sich durch, andere setzten sich innerlich ab und warten nun, dass Saleh die Fehler macht, die ihm viele zutrauen und die alle mit angeblicher Selbstüberschätzung zu tun haben. Der neue Landeschef Jan Stöß gehört auch nicht zu denen, die den regierenden ehemaligen Sonnenkönig für das politische Maß aller Dinge halten.

Kurzum: Wowereits Probleme mit dem Personal sind nicht so viel kleiner als Henkels – sie sind bloß weniger akut.

So etwas ändert sich schnell mal wieder. Deshalb stehen interessierten Betrachtern der Berliner Landespolitik spannende Wochen bevor. Im wichtigsten Kreisverband der Berliner CDU, in Steglitz-Zehlendorf, befehden sich zwei Granden des Südwestens. Michael Braun, Kurzstreckensenator für Justiz und Verbraucherschutz, Henkels erster Problemfall im Senat, von dem es hieß, er habe als Notar den Verkauf von Schrottimmobilien beurkundet, pocht auf eine Art Wiedergutmachung für das verlorene Senatsamt.

Erst hat er dem Steglitz-Zehlendorfer Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann die Nominierung streitig gemacht. Am Wochenende erklärte er seinen Verzicht, doch nun will, in Absprache mit Braun, Edeltraut Töpfer, langjährige Vorsitzende der Frauen- Union, gegen Wellmann antreten. Der Krach im Kreisverband geht also weiter.

Henkel hat, wie Wowereit, in solchen Fällen schon mehrfach gezeigt, was wesentlich ist in einem politischen Führungsamt. Dass man kommunizieren kann, auch wenn man berlinert, verbindet den Regierenden mit seinem Gegenüber von der CDU. Die zweite wichtige Eigenschaft ist – Coolness. Die schnelle Lösung eines Personalproblems ist nicht immer die beste. Auch das zeigt der Fall Sybille von Obernitz.

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