zum Hauptinhalt

Berlin: Existenz amtlich besiegelt

Wegen dubioser Vorgänge im Bezirksamt Pankow wurde der Kauf eines Cafés für ein Paar zur Schuldenfalle. Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Große Hoffnungen hatten sie mit diesem Vorhaben verbunden. Für ihn würde es ein Ende haben mit der Arbeitslosigkeit – als Angestellter hätte er sein Schicksal wieder selbst in der Hand. Für seine Lebensgefährtin – sie hat ein eigenes Einkommen – sollte es ein kalkuliertes finanzielles Risiko sein. Und der Beweis, wie sehr sie ihm vertraut.

Dafür schien das „Café Boulevard“ in Pankow wie geschaffen: Die geringe Miete würde ebenso wie die 50 000 Euro für den Erwerb der Gaststätte aus dem Verkauf von Cocktails und kleinen Speisen finanzierbar sein. Deshalb unterschrieb Frauke Frank (Name geändert), die Verträge – und verstrickte sich in ein Gestrüpp aus dubiosen Amtshandlungen und ruinösen Rechtsstreitigkeiten.

Denn heute ist ein großer Teil des Kaufpreises weg, und der Mietvertrag wurde vom Verwalter gekündigt. Die verhinderte Gaststätten-Betreiberin sitzt auf einem Berg von Schulden. Und immer mehr Gebühren für Rechtsanwälte und Gerichte kommen hinzu. Der Grund: Das Pärchen verließ sich auf eine Gewerbegenehmigung, die das Wirtschaftsamt von Pankow erteilt hatte, und auf die Zusicherungen des Bezirksamtes, dass diese Genehmigung tatsächlich auch gültig sei. Die böse Überraschung nach dem Kauf des Cafés: Diese Genehmigung hätte das Wirtschaftsamt nie erteilen dürfen – und sie ist deshalb auch ungültig. Die Neu-Besitzer dürfen darum das Lokal nicht eröffnen.

Die Bezirksstadträtin Almuth Nehring-Venus räumt auf Anfrage ein: „Es hat Unregelmäßigkeiten gegeben“. Ein Amt sei bei der Erteilung der Genehmigung durch das Wirtschaftsamt nicht einbezogen, ein anderes übergangen worden. Der Fall sei der Zentralstelle zur Korruptionsbekämpfung des Landes übergeben worden. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft: „Es besteht der Verdacht, dass die rechtswidrig erteilte Genehmigung auf Bestechung zurückzuführen sein könnte“, sagt Sprecher Michael Grunwald auf Anfrage.

Wer bestochen wurde und von wem, wird derzeit noch ermittelt. Sicher ist: Ein früherer Besitzer hatte das Café umgebaut, eine Genehmigung zum Betrieb beim Bezirksamt beantragt und das Café vorläufig schon einmal eröffnet. Als das „Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt“ das Café aufsuchte, um über den Antrag zu entscheiden, stellte es zahlreiche Mängel fest und sprach sich gegen die Erteilung der Genehmigung aus. Darüber informierten die Beamten ihre Kollegen vom Wirtschaftsamt in einem Schreiben vom 12. Dezember 2003. Doch die Bedenken der Fachleute überging das Wirtschaftsamt einfach: Einen Monat später, am 22. Januar 2004, wurde die Gewerbegenehmigung trotzdem erteilt – „widerrechtlich“, so die Staatsanwaltschaft.

Der Alleingang des Wirtschaftsamtes ist so fragwürdig, weil das Gesundheitsamt im Café geradezu kriminelle hygienische Zustände beklagte. In einem „Kontrollprotokoll“, das dem Tagesspiegel vorliegt, hielt das Amt „schwere Mängel“ fest und erstattete Anzeige. 20 Beanstandungen zählen die Beamten auf. Ein hygienisches Lebensmittellager fehlte völlig, die Küche hätte man wegen der hygienischen Mängel nicht nutzen dürfen.

Das alles passierte vor dem Verkauf der Gaststätte. Und den düpierten Käufern war davon nichts mitgeteilt worden. Weder vom Bezirksamt. Noch vom Verkäufer. „Wir hätten das Café niemals erworben, wenn wir das gewusst hätten“, sagt der Lebensgefährte der Erwerberin, Ali Yildirim. Denn die erforderlichen Arbeiten zur Behebung der Mängel kann sich das Paar nicht leisten. Die Käuferin zeigte den Verkäufer wegen Betrugs an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Das Landgericht Berlin, vor dem außerdem um den Kaufpreis gestritten wurde, urteilte: Der Verkäufer habe „arglistig verschwiegen“, dass die „erforderliche öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Betrieb des Cafés nicht vorliegt“. Der Verkäufer bestreitet dies: „Die Genehmigung war eigentlich gültig“, sagt er. Mehr könne er nicht sagen. Er ging in die nächste Instanz.

Wer das Amtssiegel von Pankow auf die rechtswidrig erteilte Genehmigung drückte, ist nicht zu erfahren. Und für die wirtschaftlichen Folgen übernimmt man im Bezirksamt keine Verantwortung: „Aus dem Ordnungsrecht besteht keine Amtshaftung“, meint die Stadträtin lapidar. Zur Freude der Täter. Sie profitieren: Während sich die Aufklärung der dubiosen Vorgänge in die Länge zieht, bluten die Opfer finanziell aus – so dass es irgendwann auch keinen Kläger mehr geben könnte.

Zur Startseite