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Berlin: Expansion unterm Kirchenkreuz

Von Elisabeth Binder Für die amerikanische Pastorin Janice Kibler war es der erste Einsatz im Ausland und schon bekam sie ein Problem, das ihre deutschen Kollegen kaum kennen: Ihre Gemeinde wuchs zu schnell. Wer nicht sehr rechtzeitig zum Gottesdienst kam, durfte nur noch mit einem Stehplatz rechnen.

Von Elisabeth Binder

Für die amerikanische Pastorin Janice Kibler war es der erste Einsatz im Ausland und schon bekam sie ein Problem, das ihre deutschen Kollegen kaum kennen: Ihre Gemeinde wuchs zu schnell. Wer nicht sehr rechtzeitig zum Gottesdienst kam, durfte nur noch mit einem Stehplatz rechnen. Deshalb schließt sich nun ein Kreis: die American Church in Berlin kommt zurück in die Mitte der Stadt. Schon jetzt feiert sie ihre Gottesdienste an jedem ersten Sonntag nicht wie gehabt in der Alten Dorfkirche in Zehlendorf, sondern in der Lutherkirche auf dem Dennewitzplatz in Schöneberg. Ganz in der Nähe, in der Motzstraße, wurde vor knapp hundert Jahren die erste amerikanische Kirche der Stadt eingeweiht. Als Berlin größer wurde, im Boom der ersten Gründerzeit, wurde auch die amerikanische Gemeinde größer und brauchte eine eigene Kirche. Dort feierte man Gottesdienste bis zu dem Tag, als die in Berlin verbliebenen Amerikaner die Nachricht von Pearl Harbour erreichte. Am 7. Dezember 1941 kam die damals 40 Menschen umfassende Gemeinde zum letzten Mal zusammen. Danach verließen die verbliebenen Amerikaner die Stadt, die Kirche wurde im Krieg zerstört.

Nach Kriegsende machte sich ein Abgesandter der evangelisch lutherischen Kirche in den USA auf, um nach Überresten zu suchen. Bald entstand eine neue Gemeinde, wie „Phönix aus der Asche", sagt Alice Kern, die sich selbst seit zwölf Jahren in der Gemeinde engagiert. Es war klar, dass sich diese Gemeinde im amerikanischen Sektor ansiedelte, zunächst kam man in der Ernst- Moritz-Arndt-Kirche zusammen, seit 1964 dann in der Alten Dorfkirche. Die Zusammenarbeit mit der Zehlendorfer Paulus-Gemeinde während ihrer nun fünf Jahre währenden Amtszeit lobt Janice Kibler in den höchsten Tönen. Wenn nur der Platz gereicht hätte. Als sie 1997 von Phoenix, Arizona, nach Berlin versetzt wurde, zählte die American Church in Berlin etwa 120 praktizierende Mitglieder, inzwischen sind es 200. Außer zur Hauptferienzeit kommen die auch regelmäßig jeden Sonntag zum Gottesdienst, manche nehmen eine Stunde Fahrzeit auf sich. Bislang mussten diejenigen, die einen Sitzplatz wollten, sehr zeitig kommen. Wenn sich die Gemeinde ab Herbst regelmäßig in der Lutherkirche trifft, kann sie dem Wachstum mit ungetrübter Freude entgegensehen. In den ersten fünf Jahren will die American Church in Berlin die Kirche für 25 000 Euro im Jahr leasen und dann für einen Euro erwerben.

Sehr bewusst beschränkt sich die Gemeinde nicht auf Amerikaner und auch nicht auf die lutherische Ausrichtung. „Wir sind eine internationale Gemeinde", sagt Ex-Botschafter John Kornblum, im Gemeinderat für das Fundraising zuständig. „Die englische Sprache und die christliche Lehre verbinden uns." Ganz bewusst gestaltet die Gemeinde ihre Gottesdienste ökumenisch, ähnlich wie in der National Cathedral in Washington. Es kommen Methodisten, Presbyterianer und auch Katholiken. „Wir betrachten uns nicht als Protestanten, sondern als Christen", sagt Alice Kern. Unterschiede werden anerkannt, das ist vielleicht auch ein Grund für den großen Zulauf.

Janice Kiblers Amtszeit ist nun beendet. Die 43-Jährige hat im letzten Jahr geheiratet und geht zurück in die USA. Für ihren Nachfolger bleibt einiges zu tun, auch wenn die große Lutherkirche endgültig zum Heim der Gemeinde geworden ist. Die Infrastruktur muss weiter ausgebaut werden. In amerikanischen Gemeinden ist es üblich, dass jeder sich persönlich einbringt, also auch von seiner Zeit etwas gibt. Das wird dem Fundraising-Team neue Herausforderungen bescheren. Vielleicht trifft es sich gut, dass noch ein 100. Jahrestag zu feiern ist: Der erste dreistellige runde Geburtstag des American Chamber of Commerce in Deutschland.

Janice Kibler ist sicher, dass die Kirche auch weiterhin schnell wachsen wird. „Bei uns kommen Manager und Asylbewerber, Künstler und Geschäftsleute zusammen." In der Kirche, davon ist sie überzeugt, spiegelt sich immer auch die Entwicklung der Stadt.

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