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Boliviens bisheriger Präsident Evo Morales in einer Maschine der mexikanischen Luftwaffe, mit einer Fahne seines neuen Exillandes.

© REUTERS

Expräsident geht ins Exil: Evo Morales flieht nach Mexiko

Es ist ein Krimi in Bolivien: Das Land versinkt im Chaos, der zum Rücktritt gezwungene Präsident flüchtet nach Mexiko. Das Militär droht mit „harter Hand“.

Bolivien galt schon als ein neuer „Tigerstaat in Südamerika“, reich an Erdgas und Lithium, das besonders für das neue Elektroauto-Zeitalter gebraucht wird. Nun sitzt Evo Morales, der erste indigene Präsident des Landes, der Wachstumsraten von über sechs Prozent auf seiner Habenseite verbuchen konnte, abgekämpft in einer Maschine der mexikanischen Luftwaffe. Auf der Flucht ins Exil.

Erst wollte er bleiben und hatte sich in seine Hochburg zurückgezogen, die Kokaanbauregion im Departement Cochabamba. Morales nutzte die sozialen Medien dort weiter intensiv, twitterte ein Bild, das den Ex-Präsidenten auf einer Decke auf dem Boden liegend zeigt. Ein Bild für die Geschichtsbücher, dass aber auch seine Anhänger mobilisieren soll.

Dazu schrieb Morales: „Dies war meine erste Nacht, nachdem ich die Präsidentschaft durch einen Putsch von Mesa und Camacho mit Hilfe der Polizei verlassen hatte. Ich erinnerte mich an meine Zeit als Führer. Ich bin meinen Brüdern von den Föderationen von Tropico de Cochabamba dankbar, dass sie uns Sicherheit und Fürsorge gegeben haben.“

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Die mexikanische Regierung des linken Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, gewährte ihm nun Asyl, mit einem Zwischenstopp in Paraguay ging es an Bord einer Gulfstream 550 nach Mexiko-Stadt.

Wegen des offensichtlichen Wahlbetrugs bei der Präsidentschaftswahl am 20. Oktober drohte Morales die Festnahme – er hatte schon 2016 den Bogen überspannt, als er trotz einer Niederlage beim Referendum über eine Verfassungsänderung, die ihm eine erneute Kandidatur erlauben sollte, nun nochmal antrat.

Krimi mit ungewissem Ausgang

Bei allen Schatten – er wird dennoch wohl als einer der erfolgreichsten Präsidenten des Andenstaates in die Geschichtsbücher eingehen - und wenn es nach ihm geht, ist die Geschichte noch nicht zu Ende. „Schwestern und Brüder, ich breche nach Mexiko auf“, schrieb er zum vorläufigen Abschied auf Twitter. „Es schmerzt mich, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde mich immer kümmern. Bald komme ich mit mehr Kraft und Energie zurück.“ Er rief seine Anhänger dazu auf, friedlich zu bleiben. „Wir bolivianischen Brüder dürfen uns nicht bekämpfen.“

Es ist ein Krimi mit ungewissem Ausgang. Das Sozialismusexperiment in Bolivien ist nicht mit Venezuela zu vergleichen, aber zum Ende der Ära Morales nahm der eigene Personenkult und das Aushebeln demokratischer Normen immer mehr zu, Schlüsselpositionen wurden mit Getreuen der Bewegung zum Sozialismus (MAS) besetzt, gerade auch in der Justiz. Hinzu kamen Affären im Regierungslager um Korruption und Vetternwirtschaft.

Die weißen Eliten haben ihn und den MAS bekämpft, dennoch überrascht das Ausmaß der Eruption an Hass und Gewalt. Die Frage, ob es sich um einen von Teilen der Polizei und des Militärs unterstützten Putsch handelt, spaltet das Land, so wie es die Parteinahme von Morales für die Interessen der lange unterdrückten indigenen Bevölkerung getan hat. Wenn auf diese, lange Zeit demokratische, Revolution eine Restauration folgt, droht weiteres Blutvergießen.

Polizeikräfte sichern den bolivianischen Kongress - seit Wochen toben Unruhen und Proteste in dem Andenstaat.
Polizeikräfte sichern den bolivianischen Kongress - seit Wochen toben Unruhen und Proteste in dem Andenstaat.

© AFP

Szenen wie diese gehen um die Welt: Der sozialistischen Bürgermeisterin der Stadt Vinto bei Cochabamba wurden die Haare abgeschnitten, Demonstranten überkippten sie mit roter Farbe´ und trieben sie barfuß durch die Straßen. Gegner und Anhänger sorgen für Chaos, Plünderungen, brennende Gebäude. Hunderte Verletzte und drei Tote sind bisher zu beklagen. „Die Soldaten werden mit der Polizei Operationen durchführen, um Blutvergießen zu verhindern“, betont der Chef der Streitkräfte, Williams Kaliman.

Ein verletzter Anhänger von Ex-Präsident Evo Morales.
Ein verletzter Anhänger von Ex-Präsident Evo Morales.

© AFP

Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard betont, das Leben von Morales sei in Bolivien in Gefahr gewesen. Morales Rücktritt und der seiner fast kompletten Regierung sowie der Präsidentin des Senats und des Präsidenten des Parlaments hinterlassen ein gefährliches Machtvakuum. Die Senatsvizepräsidentin Jeanine Áñez hat interimsweise die Präsidentschaft übernommen und will zügige Neuwahlen. Doch eigentlich ist auch der Kandidat der Opposition, der konservative Ex-Präsident Carlos Mesa nun kein Kandidat mehr, um das Land zu einen. Er berichtete, ein Mob habe sein Haus zerstören wollen, auch Morales berichtete von Attacken auf sein Wohnhaus.

Offene Fragen für Investoren

So droht Bolivien, das lange den Rekord in Südamerika hielt, was den Verschleiß an Präsidenten betrifft, eine neue unruhige Phase.

Völlig offen ist auch, was die Lage für Investoren bedeutet – so hatten sich deutsche und schweizerische Unternehmen stark für das Milliarden-Projekt einer Zuglinie zwischen Atlantik und Pazifik eingesetzt, Morales nannte das Projekt einen „Panama-Kanal auf Schienen“. Die 3750 Kilometer lange Strecke soll vom brasilianischen Santos durch das Tiefland Boliviens, über 4000 Meter die Anden hoch und dann zum peruanischen Ilo führen, um Güter schneller zu den Weltmärkten zu transportieren. Das Projekt steht nun auf genauso wackligen Füßen wie die friedliche Zukunft Boliviens.

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