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EXTRATOUREN GESTERN, HEUTE: Pankow entdecken Vom Ausflugsziel zur Residenz: Bolles Lieblingsort macht sich schön

Früher auf ’ne Ketwurst ins Zentrum, heute Biobrot kaufen im Heimatmuseum. Zum Schloss, wo die Regierung saß, oder dahin, wo noch heute die Prominenz wohnt.

Früher auf ’ne Ketwurst ins Zentrum, heute Biobrot kaufen im Heimatmuseum. Zum Schloss, wo die Regierung saß, oder dahin, wo noch heute die Prominenz wohnt. Die Stadtführer von „Berlin-on-Bike“ bieten die besondere Pankow-Tour: Samstag, 1. Dezember, 14 Uhr, Treff: S-/U-Bahnhof Pankow, Garbaty-Platz. Sonderpreis für die Fußtour: 7,50 Euro. Dauer: ca. 3 Stunden. Am Schluss ist Einkehr im Restaurant Majakowski. Anm. ab sofort unter Tel. 43 73 99 99, Kennwort Tagesspiegel. Übrigens: Wer drei Touren unserer Serie mitmacht, erhält die vierte gratis. lei

ZEITREISE

„Von mir ist weiter nichts zu sagen.“ Man muss schon um das Denkmal für den 1938 in Nazihaft gestorbenen Carl von Ossietzky herumgehen, um das Zitat am Sockel zu entdecken. Kurz vor der Wende, zum 100. Geburtstag des Friedensnobelpreisträgers am 3. Oktober 1989, war die Bronzeskulptur in der nach ihm benannten Straße aufgestellt worden. Sie war der erste Teil der Protokollstrecke zwischen Schloss Schönhausen, dem Gästehaus der DDR und der Innenstadt. Viele Staatsgäste sind an der Figur nicht mehr vorbeigerauscht, stattdessen zogen die Teilnehmer am Zentralen runden Tisch der DDR Richtung Schloss, tagten in einem Nebengebäude, in dem später Teile der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen stattfanden und heute die Bundesakademie für Sicherheitspolitik residiert. Baulich hat sich in der Ossietzkystraße noch nicht viel getan, erst wenige Fassaden sind saniert. Erst jetzt wurden viele der Wohnhäuser eingerüstet. Es ist davon auszugehen, dass bei den Verschönerungen dann auch die restlichen Halterungen, in denen zu DDR-Festtagen oder eben zu Staatsbesuchen die Fähnchen mit Hammer und Zirkel befestigt wurden, verschwinden.

SCHÖN SANIERT

Pankow hat nicht nur den Ortskern rund um den Dorfanger aufgewertet – vor Jahren eröffnete das Rathauscenter, entlang der Haupteinkaufsstraße etablierten sich wieder Geschäfte, im Oktober 2006 folgte ein Anbau für das Shoppingcenter –, mittlerweile sind auch die umliegenden Straßenzüge ins Sanierungskonzept eingeschlossen. In der Wollank-, Pestalozzi-, Berliner- und Mühlenstraße wird die historische Bausubstanz erhalten – bei möglichst gleichbleibenden oder moderat steigenden Mieten. Im Industriedenkmal alte Mälzerei, das 17 Jahre leer stand, wird ein Nürnberger Investor für 30 Millionen Euro Eigentumswohnungen realisieren. Rund um Schloss Schönhausen, das von der Stiftung Preußischer Schlösser restauriert und als Museum 2009 präsentabel sein soll, fanden die Villen und Einfamilienhäuser der SED-Funktionäre Zugezogene oder Botschaften als neue Eigentümer.

AUFS GLEIS GEBRACHT

Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für den Altbezirk ist der erfolgreiche Bahntechnik-Hersteller Stadler Pankow GmbH in Wilhelmsruh. Das Werk, das in den letzten Jahren erweitert wurde, verfügt über eine der modernsten Montagehallen Europas. Auf 15 000 Quadratmetern Fläche werden Schienenfahrzeuge für den Regional-, S-Bahn- und Stadtbahnverkehr entwickelt, konstruiert, gebaut und auch gewartet.

Stadler beschäftigt allein in Berlin 550 Mitarbeiter. Dieses Jahr schlug das Unternehmen mit dem Großauftrag für 45 Niederflur-Straßenbahnen für das österreichische Graz Konkurrenten wie Siemens oder Bombardier aus dem Feld.



GUT VERSORGT


Konnte Bolle nach seiner legendären Schlägerei allenfalls auf einen Landarzt hoffen, müsste er sich heute in Pankow um eine perfekte medizinische Versorgung nicht zu sorgen. Mit einer „Heimstätte für Brustkranke“ begann um 1903 die Geschichte des Medizinstandortes Buch, die in die heutigen Helios-Kliniken mündete. Im Sommer 2007 wurde der 200 Millionen Euro teure Klinikneubau bezogen. Am Standort wird von der Charité geforscht und gelehrt, es gibt das Max-Delbrück-Zentrum für molekulare Medizin, das Leibniz-Institut für molekulare Pharmakologie und nicht zuletzt den Biotech-Park mit 40 Unternehmen.

LITERATUR

Raufbold Bolle ist für Pankow, was der Hauptmann für Köpenick war. Auch Bücher zum Bezirk tragen dem Rechnung, vor allem Werke, die so weit zurück reichen wie der von Ruthild Deus und Ralf Schmiedecke erstellte historische Bildband „Berlin-Pankow“ (Sutton Verlag, Erfurt) oder das 1998 beim be.bra Verlag erschienene Buch von Ralph Hoppe: „Pankow im Wandel der Geschichte: Bolle reiste jüngst …“ Gleichwohl behandelt Hoppe auch die Zeit, als Pankow Synonym fürs DDR-System war, schildert die Wendezeit – und streift den Lyrikclub Pankow. Der von 1965 bis 1995 bestehende Zirkel, in dem Autoren wie Thomas Brasch, Bettina Wegner,Gunter Kunert und Stephan Hermlin lasen, ist auch Thema in: Roland Berbig (Hg.), Der Lyrikclub Pankow. Literarische Zirkel in der DDR. (Ch. Links, Berlin). Der Ortsteil Buch steht im Mittelpunkt von Heinz Bielkas Buch „Streifzüge durch die Orts- und Medizingeschichte von Berlin-Buch“ (Frieling-Verlag). ac / lei

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