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Facebook-Statistik zu Berlin: Sehnsucht nach dem Ku’damm

Ganz schön uncool: Nicht Admiralbrücke, Mauerpark oder Berghain sind bei Facebook angesagt Nein, der gute alte Boulevard West steht auf Platz eins der Attraktionen. Wie konnte das geschehen?

Die Admiralbrücke in Kreuzberg, der Mauerpark im Niemandsland zwischen Mitte, Prenzlauer Berg und Gesundbrunnen oder das Berghain in Friedrichshain: Berlin ist voll von Sehenswürdigkeiten jenseits des traditionellen touristischen Standardprogramms. Und als überzeugter Berliner ging man davon aus, dass gerade diese Orte junge Menschen anziehen und begeistern würden. Alles falsch. Zumindest legt eine von Facebook veröffentlichte Rangliste nahe, dass man sich geirrt hat. Laut dieser Liste befindet sich tatsächlich der Ku’damm als hauptstädtische Attraktion auf dem ersten Platz.

Wie konnte es soweit kommen? Ungefähr so: Das Netzwerk ermittelte für 25 internationale Metropolen die Orte, an denen sich die User am häufigsten einchecken und ihren Freunden so mitteilen, wo sie sich gerade befinden. In Berlin soll das ausgerechnet der Ku’damm sein. Die Hauptschlagader der City West als Sehnsuchtsort der Generation Facebook – und das 34, in Worten: vierunddreißig!, Jahre nach Christiane F.s „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Kaum zu glauben. Doch was genau macht eigentlich die Attraktivität dieses in die Jahre gekommenen Boulevards aus? Ein kurzer Realitycheck vor Ort bringt wenig Aufschluss. H&M hier, Starbucks dort und dazwischen immer wieder: Baustellen. Irre! Wie wenig wirklich Aufregendes muss jemand erleben, um seinen Freunden via Facebook mitzuteilen: „Hier bin ich gerade, ganz schön toll hier.“

Als ob Berlin – vor allem: das neue Berlin – nicht mehr zu bieten hätte. Was machen all die Leute, die sich die Nächte im Kater Holzig um die Ohren schlagen, im Watergate tanzen oder am Kotti zwischen Monarch, Paloma-Bar und Lupita pendeln? Sie haben offenbar Besseres zu tun, als sich bei Facebook einzuloggen und der vermeintlich interessierten Netzöffentlichkeit mitzuteilen, wo sie sich gerade aufhalten. Denn auch die nachfolgenden Plätze der sogenannten Rangliste sind ernüchternd. An zweiter Stelle liegt das notorische Brandenburger Tor. Und wirklich besser wird es auch danach nicht, denn dann kommen – in dieser Reihenfolge! – die O2 World, das KaDeWe und der Potsdamer Platz.

Alles nur ein großes Täuschungsmanöver cleverer Jugendlicher, damit sich deren Familien keine Sorgen machen müssen? Eine gut durchdachte Mimikry feiersüchtiger Dauerstudenten, die sicherstellen wollen, dass die Eltern den Überweisungsauftrag auch im nächsten Jahr nicht kündigen? Man will es sich gern einreden. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass sich das Durchschnittsalter der Facebook-User kontinuierlich auf die 40 zubewegt. Auf ein Alter also, in dem man wirklich gern über den Ku’damm flaniert, sich das Brandenburger Tor anschaut und Konzerte in der O2 World besucht.

Insofern sagt die Rangliste zwar wenig über Berlin, dafür aber sehr viel über die Nutzer von Facebook aus. Die scheinen dann doch ein bisschen langweiliger, älter und – Entschuldigung! – uncooler zu sein, als gemeinhin angenommen. Aber als überzeugter Berliner weiß man ohnehin, dass das Leben in den Cafés stattfindet, in den Bars, Clubs und Parks dieser Stadt. Und natürlich an den Ufern der Spree und des Müggelsees und des Wannsees. Nicht aber bei Facebook.

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